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Der Golfstaat Saudi-Arabien erhält vorerst kein Doppelbesteuerungsabkommen – die Wirtschafts-Kommission fordert eine neue Strategie.
Die Schweiz soll das neue Doppelbesteuerungsabkommen mit Saudi-Arabien nicht in Kraft setzen: Das forderte gestern die Wirtschaftskommission des Nationalrats mit 23 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung. Es ist das bisher stärkste Signal der Schweiz an das arabische Land, seit dessen Geheimdienstler in Istanbul den regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi ermordet haben.
Bevor das Parlament das Abkommen weiter diskutiere, brauche es eine neue politische Strategie des Bundesrats gegenüber Saudi-Arabien, schreibt das parlamentarische Gremium in einer Mitteilung: «In den Augen der Kommission drängt sich dieser Beschluss insbesondere nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi auf.» Aufgrund dieses Mordes sei eine grundlegende Überprüfung der Beziehungen zu Saudi-Arabien notwendig.
Der Ruf nach einer neuen Strategie kam zuerst von der Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer. Nun scheint sich auch der Bundesrat dazu durchgerungen zu haben: Gemäss Kommissionsmitteilung wird er im kommenden Jahr eine neue Strategie vorlegen. Zudem hat der Bundesrat Ende Oktober die Waffenexporte in das Land unter der Fuchtel des mächtigen Kronprinzen Mohammed Bin Salman bis auf Weiteres stoppen lassen.
Mit ihrem Signal gegenüber Riad hat sich die Wirtschaftskommission aber nicht etwa auf eigenen Antrieb in den Bereich der Aussenpolitik begeben. Sie folgte vielmehr einem Antrag des Bundesrats, wie Kommissionspräsident Jean-François Rime sagt. Die Landesregierung wollte das Doppelbesteuerungsabkommen suspendieren, um Zeit zu gewinnen. Er selbst halte das für etwas überraschend, immerhin sei Saudi-Arabien ein guter Handelspartner für die Schweiz, sagt der Freiburger SVP-Nationalrat.
Dabei hat sich seine eigene Partei gegen engere Beziehungen mit dem islamischen Königreich ausgesprochen. Schon vor einem Jahr hatte die SVP zusammen mit der FDP gegen ein Abkommen über den automatischen Austausch von Bankdaten mit Saudi-Arabien gestimmt, war aber schliesslich nach einigem Hin und Her unterlegen. Politiker der beiden Parteien kritisierten damals bereits, mithilfe der Verträge werde die Schweiz in Zukunft Bankdaten ans Regime liefern, welches die Informationen möglicherweise für Menschenrechtsverletzungen missbrauche. Die SP hatte allerdings lange Zeit kein Gehör für diese Argumente. Das hat sich mit dem Fall Khashoggi geändert: Inzwischen fordert auch Leutenegger Oberholzer, das Regime in Saudi-Arabien dürfe keine Finanzdaten aus der Schweiz erhalten.
Mit der Suspendierung des Doppelbesteuerungsabkommens wird die automatische Datenlieferung aber noch keineswegs unterbunden. Diese soll gemäss Plan nach wie vor erstmals im Herbst 2019 stattfinden. Allerdings muss der Bundesrat zuvor dem Parlament in einem Bericht detailliert darlegen, ob Saudi-Arabien alle rechtlichen Kriterien erfüllt, etwa punkto Datenschutz und Rechtsstaatlichkeit. Kritiker hoffen, dass sich damit ein Türchen für sie öffnet, um die Datenlieferung noch zu verhindern. Wenn das Doppelbesteuerungsabkommen auf Eis gelegt wird, leiden darunter beide Seiten wirtschaftlich. Das Regelwerk würde es den Steuerpflichtigen der Schweiz und Saudi-Arabien ermöglichen, im jeweils anderen Land Geschäfte zu betreiben, ohne zweimal besteuert zu werden. Die Schweiz hat daran ein wirtschaftliches Interesse: Ihre Direktinvestitionen in Saudi-Arabien belaufen sich auf knapp eine Milliarde Franken, Schweizer Unternehmen beschäftigen 12 000 Personen, die saudische Wirtschaft gilt als eine der wachstumskräftigsten der Welt. Umgekehrt halten Saudis Vermögen von geschätzten 200 Milliarden Franken auf Schweizer Banken.