Raser
Mutter von Raseropfer: «Carina fehlt uns wahnsinnig»

Heute wird in Bern die Volksinitiative «Schutz vor Rasern» lanciert. Mit dabei: Franziska Riedtmann. Ein Porschefahrer hat ihre damals 15-jährige Tochter totgefahren. Er war mit 170 km/h unterwegs.

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Jessica Pfister

Carina wäre heute 21 Jahre alt. Wahrscheinlich würde das hübsche Mädchen mit den braunen Locken in der Küche eines Restaurants stehen und den Kochlöffel schwingen. «Sie hatte bereits die Zusage für eine Lehrstelle als Köchin», sagt Mutter Franziska Riedtmann. Und in ihrer Freizeit würde sie ihrer grossen Leidenschaft, dem Fallschirmspringen, nachgehen.

Doch Carina ist tot. Sie starb am 13. August 2003 an einem heissen Sommerabend. Kurz nach 19 Uhr war die 15-Jährige losgeradelt, um auf einem nahen Bauernhof zwischen Möhlin und Mumpf AG Rübenkraut für ihre Raupen zu holen. Als sie mit dem Velo über eine Kreuzung lief, wurde sie einen Meter vom Strassenrand entfernt von einem Porsche erfasst. Laut Unfallgutachten war der Lenker, ein Schweizer Mitte 30, mit 170 km/h unterwegs – erlaubt waren 80. Carina starb noch auf der Unfallstelle. Ihre Mutter musste sie identifizieren.

Fahrer wohnt zwei Dörfer entfernt

«Der Fahrer hat sich bis heute nie bei uns entschuldigt», sagt Franziska Riedtmann. Dabei wohnt er nur gerade zwei Dörfer weit entfernt. «Es gibt mir immer einen Stich ins Herz, wenn er im Auto an uns vorbeifährt.» Nur gerade zehn Tage nach dem Unfall erhielt der Raser sein Auto zurück – seinen Fahrausweis durfte er behalten. Die Riedtmanns hingegen mussten ganze fünf Jahre auf ein Urteil warten. «Das war sicher die schlimmste Zeit in unserem Leben.» Und dann, 2008, entschied das Aargauer Obergericht: Zwei Jahre bedingt, 2000 Franken Busse. Eine grosse Enttäuschung für Carinas Mutter und den Pflegevater Christoph: «Es war lächerlich, der Fahrer kam praktisch gratis davon», so Franziska Riedtmann.

«Raser spürbar bestrafen»

Das Urteil bestärkte die Riedtmanns, sich für strengere Strafen gegen Raser einzusetzen. Sie haben sich mit Eltern anderer Strassenopfer zusammengetan, Demonstrationen organisiert und Franziska hat sich dem Initiativkomitee «Schutz vor Rasern» angeschlossen: «Der Kampf gegen die Raser ist für mich wie eine Therapie.» Für Riedtmann ist der wichtigste Punkt in der Volksinitiative die härteren Strafen: «Raser müssen spürbar zur Rechenschaft gezogen werden und zwar mit unbedingten Strafen und Fahrausweisentzug.» Nur so könne ein Urteil Signalwirkung auf andere Geschwindigkeitssünder haben. Riedtmann ist überzeugt: mit den Massnahmen der Initiative wäre der Porschefahrer nicht so leicht davongekommen. Dass im Initiativtext im Gegensatz zu früheren Fassungen das Strafmass wieder nach unten geschraubt wurde, kann die Aargauerin verstehen: «Um eine breite Masse anzusprechen, musste man vorsichtig sein.»

«Schnelleres Verfahren gewünscht»

Mehr Mühe hatte sie damit, dass die Initiative lange nicht vom Fleck kam: «Klar hätte ich mir gewünscht, es wäre schneller gegangen.» Denn es sei ihr wichtig, so vielen Eltern wie möglich diesen Schmerz zu ersparen. Franziska Riedtmann hat in den rund sieben Jahren seit dem Unfall gelernt, damit umzugehen. «Es gibt nach wie vor Tage, an denen es mir schlecht geht, weil ich Unfallbilder vor Augen habe, doch dann denke ich immer an die schönen Zeiten mit Carina. Sie fehlt uns wahnsinnig.»