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Schweiz
Vor der Abstimmung über die No-Billag-Initiative tobte ein erbitterter Streit, in dessen Zentrum sich SRF-Moderator Jonas Projer wiederfand. Dabei wurde er bedroht. Nun ist der Fall geklärt.
Es war der gehässigste Abstimmungskampf seit langem, bevor im März die No-Billag-Initiative an der Urne scheiterte. Er gipfelte in der SRF-«Arena» vom 2. Februar, nach der es Vorwürfe gegen Jonas Projer hagelte. Der 36-jährige Moderator habe die Fernsehsendung parteiisch zugunsten der Gegner geleitet. Im Internet kochte die Empörung über. Ein Twitter-Nutzer mit dem Decknamen «Stoplügenmedien» schrieb anderntags am frühen Morgen: «Mitten in der Nacht werden wir kommen und Dich richten!»
Das ging Projer zu weit, er reichte Strafanzeige ein. Die ist inzwischen erledigt, wie die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat bestätigt. Sie hat den Twitter-Droher ausfindig gemacht – doch wurde das Strafverfahren eingestellt. Moderator Projer hat seinen Strafantrag zurückgezogen, der Droher geht straffrei aus.
Trotzdem sind die Verantwortlichen bei SRF zufrieden. Sprecher Stefan Wyss erklärt das so: «Auch die sozialen Medien sind kein rechtsfreier Raum. SRF toleriert keine Drohungen gegen Mitarbeitende, weshalb Jonas Projer nach dem Droh-Tweet Anzeige erstattet hat.» Stur auf Bestrafung wurde aber nicht beharrt: Der Urheber des Tweets und der SRF-Moderator trafen sich bei einer Vergleichsverhandlung bei der Staatsanwaltschaft persönlich. Projer hielt das für ausreichend, wie er sagt: «Der Urheber hat sich für seinen Tweet entschuldigt und versprochen, dass er so was auch anderen gegenüber nicht wiederholt. Damit ist die Sache für mich erledigt.»
Über Identität und Geschlecht des Drohers machen Justiz und SRF keine weiteren Angaben. Der Twitter-Nutzer hatte versucht, seine Drohung kleinzureden. Projer führe eine «Hetzkampagne», beklagte sich «Stoplügenmedien» am 4. Februar. Das Wort «richten» sei mit positiven Bedeutungen besetzt. Tempi passati? Im Oktober ging eine Botschaft an Projer: Der Moderator habe in einer Glückskette-Sendung sein wahres Herz gezeigt. Die Person will 50 Franken gespendet haben und grüsst als «Schwitzer Patriot und IDENTITÄRE Treue CH liebende Mensch». Noch im Mai war Projer daselbst ein «Lügenbaron».
Doch bleibt der Gesamteindruck des Twitter-Kontos unverändert: wilde Verschwörungstheorien, antisemitische Beiträge, Hetze gegen Ausländer, Banner der rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer – alles fehlerhaft und wirr in Ausdruck und Schreibe. Ihre Gegner pflegt die Person als Marionetten des jüdischen Philanthropen George Soros zu beschimpfen. Immerhin: Nur 79 Nutzer verfolgen, was «Stop- lügenmedien» verschickt.
Der Fall zeigt, dass die Justiz die Verantwortlichen hinter anonymen Drohungen im Internet belangen kann. Ständerat und Nationalrat sehen dort ein Problem: Sie haben den Bundesrat soeben damit beauftragt, eine Gesetzesänderung vorzulegen. In Zukunft sollen soziale Netzwerke in der Schweiz eine Vertretung oder ein Zustelldomizil einrichten müssen, damit die Strafverfolger einfacheren Zugriff auf deren Daten erhalten. Schon heute schafft es die Justiz gemäss Kriminalstatistik, mehr als 90 Prozent der Fälle aufzuklären – indes nur jener, die das Opfer anzeigt.