Katholische Kirche
Mit pinken Hüten zu mehr Rechten: Die Kirchenfrauen marschieren zum Streik auf

Frauen leisten viel für die Kirche, die wichtigen Entscheide fällen aber die Männer. Das soll sich ändern. Nun ruft der Schweizerische Katholische Frauenbund die Kirchenfrauen auf, am nationalen Frauenstreiktag aufzumarschieren.

Kari Kälin
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Für mehr Frauenrechte in der katholischen Kirche (von links): Heidi Behringer-Bachmann vom Aargauischen Katholischen Frauenbund, Vroni Peterhans vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund und Andrea Birke vom Aargauer Streikkomitee.

Für mehr Frauenrechte in der katholischen Kirche (von links): Heidi Behringer-Bachmann vom Aargauischen Katholischen Frauenbund, Vroni Peterhans vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund und Andrea Birke vom Aargauer Streikkomitee.

Pius Amrein

Sie werden einen pinken Punkt tragen mit der Aufschrift «Gleichberechtigung. Punkt. Amen.» Einige werden eine selbst gebastelte pinke Mitra, die bischöfliche Kopfbedeckung für die Liturgie, tragen. Und pinke Stiefel anziehen. «Um symbolisch aufzuzeigen, dass wir Kirchenfrauen aus dem Sumpf der katholischen Kirche waten wollen», sagt Vroni Peterhans.

«Aus einem Sumpf von sexuellem Missbrauch und Ungleichbehandlung der Geschlechter», ergänzt die Vizepräsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF), der 130 000 Frauen vertritt. Das lohne sich. Denn trotz ihrer Fehler hätten die Frauen die Kirche gerne, sie biete eine emotionale Heimat.

Von der «reformunfähigen hierarchischen Kirche» ist Peterhans enttäuscht. Die Katechetin aus dem Kanton Aargau wirkt bei den Vorbereitungen der Kirchenfrauen für den nationalen Frauenstreiktag vom Freitag, 14. Juni, mit. Sie werden auch in der katholischen Kirche fordern. Unterstützt wird der SKF unter anderem von der IG feministische Theologinnen der Schweiz und Liechtensteins sowie den Evangelischen Frauen der Schweiz (EFS).

In den Leitungsgremien seien Frauen bei den Protestanten untervertreten, sagt EFS-Präsidentin Dorothea Forster. Und die EFS bekundeten ihre Solidarität mit den katholischen Frauen und deren Forderung nach der Öffnung sämtlicher kirchlicher Ämter für Frauen wie in der reformierten Kirche.

Widerstand im Gottesdienst

Zum einen werden sich die Kirchenfrauen überall in der Schweiz unter die Streiks mischen, die von gewerkschaftlicher Seite organisiert werden. Sie tragen deren Anliegen wie Lohngleichheit oder eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit.

Zum anderen werden sie am folgenden Samstag und Sonntag vor und in Kirchen mit diversen Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam machen. «Denkbar ist zum Beispiel, dass Frauen den Gottesdienst vor der Tür feiern, an Kirchtürmen Leintücher mit dem pinken Punkt wehen lassen oder an Kirchentüren Transparente platzieren», sagt Peterhans.

Zudem wollen sie in Gottesdiensten eine Widerstandserklärung verlesen, welche die Luzerner Theologin Jacqueline Keune verfasst hat. Sie kritisiert darin etwa, dass Frauen «allein aufgrund ihres Geschlechts immer noch abgewertet und ausgeschlossen werden».

Ohne den Einsatz der Frauen kommt die Seelsorge zum Erliegen.

(Quelle: Vroni Peterhans, Vizepräsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes)

Peterhans ist nicht bekannt, dass etwa Pastoralassistentinnen oder Sakristaninnen ihre Mitwirkung an Gottesdiensten verweigern. «Wir wollen nicht eine Taufe bestreiken und damit Menschen verletzen», sagt Peterhans. «Wenn es die Umstände an einzelnen Orten aber zulassen, fände ich es toll, wenn gestreikt würde.» Damit könnte man, so die Vizepräsidentin des SKF, aufzeigen, wie wichtig die Frauen für die Aufrechterhaltung des kirchlichen Betriebs sind. «Ohne ihren Einsatz kommt die Seelsorge zum Erliegen», sagt sie.

In der Tat leisten Frauen einen wesentlichen Beitrag, den Priestermangel abzufedern. So stieg zum Beispiel in den letzten Jahren die Zahl der Pastoralassistentinnen kontinuierlich bis auf 403 im Jahr 2017. Als Pastoralassistenten waren in diesem Jahr 451 Männer tätig. Pastoralassistenten und -assistentinnen gestalten Gottesdienste und Predigten, besuchen Kranke und erteilen Religionsunterricht. Sie dürfen auch Kinder taufen und Ehen schliessen.

Allerdings dürfen sie – genau gleich wie Diakone – nicht alle Sakramente spenden. Die Eucharistie, die Beichte und die Krankensalbung bleiben den geweihten Priestern vorbehalten. Kurzum: Pastoralassistenten und -assistentinnen absolvieren zwar die gleiche Ausbildung wie Priester, haben aber weniger Befugnisse.

Jetzt verlangen die Kirchenfrauen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auf allen Ebenen, den Zugang der Frauen zu allen Ämtern, weniger Hierarchie, mehr Mitbestimmung. Diese Anliegen wollen sie auch bei den Schweizer Bischöfen mit Nachdruck deponieren.

Letztlich laufen die Reformbestrebungen auf die Weihe von Frauen zu Diakoninnen, Priesterinnen oder Bischöfinnen hinaus. Vroni Peterhans ergänzt, wichtig seien vor allem menschen-, aber auch männerfreundlichere Strukturen, zum Beispiel die Abschaffung des Pflichtzölibats, der Zwangsehelosigkeit. «Sonst können Frauen zwar Priesterinnen werden, aber die alten Strukturen bleiben bestehen.»

Es gibt Anzeichen, dass sich die klerikale Obrigkeit der Schweiz gegenüber den Anliegen der Kirchenfrauen öffnet. In seiner Osterpredigt in der Solothurner Kathedrale erklärte zum Beispiel Felix Gmür, Bischof des Bistums Basel und aktuell Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, man müsse auch praktisch denken. Das Frauendiakonat sei in Rom in der Pipeline und er würde einem zukunftsweisenden Entscheid positiv gegenüberstehen.

Mit anderen Worten: Gmür würde es begrüssen, wenn der Papst grünes Licht für die Weihe von Diakoninnen gäbe. Das Diakonat ist eine Vorstufe zum Priester, die auch verheirateten Männern offensteht.

Sie will Priesterin werden

Und der Papst? Für Franziskus kommen Frauen als Priesterinnen weiterhin nicht infrage. In einem apostolischen Schreiben hielt er fest: «Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht.» Das hat viele katholische Frauen enttäuscht.

Eine davon ist Jacqueline Straub, die aus Deutschland stammt und heute in Muri im Kanton Aargau lebt. Dennoch gibt die 28-jährige, verheiratete Theologin die Hoffnung nicht auf, eines Tages doch noch zur Priesterin geweiht zu werden. Sie spüre diese Berufung und diesen Wunsch.

Straub, Journalistin und Autorin des Buches «Kickt die Kirche aus dem Koma», begrüsst den Streik der Kirchenfrauen. «Sie können damit aufzeigen, was sie alles für die Kirche leisten», sagt sie – und hofft, dass der Streiktag das Frauenpriestertum wieder auf die Agenda der Schweizer Bischöfe bringt.

Straub verlangt, dass diese dem Anliegen nicht nur verständnisvolle Worte entgegenbringen, sondern dieses auch in Rom gegenüber den konservativen Kräften verteidigen. Straub selber wird sich nicht an den Streikaktivitäten beteiligen können. Sie weilt für einen Vortrag in Deutschland, wird an diesem Tag aber solidarisch Pink tragen und im Vorfeld über Social Media darauf aufmerksam machen, doch daran teilzunehmen.

Vroni Peterhans hofft derweil, dass am 14. Juni Zehntausende Kirchenfrauen auf die Strasse gehen, sich pink und lautstark bemerkbar machen. Wie viele Frauen insgesamt auf die Strasse gehen werden, ist schwierig abzuschätzen. Beim letzten Frauenstreik vom 14. Juni 1991 waren es schweizweit rund eine halbe Million.

So wehren sich die Frauen gegen die Ungleichbehandlung

Initiative Kirchenfrauen haben in den letzten Monaten und Jahren verschiedene Projekte lanciert, um sich für Reformen und Gleichberechtigung in der katholischen Kirche einzusetzen. Wir listen einige auf.

1. «Gebet am Donnerstag»: Priorin Irene Gassmann, die Vorsteherin des Benediktinnerinnenklosters Fahr, hat mit Mitinitiantinnen Mitte Februar das «Gebet am Donnerstag» lanciert. Auf spirituellem Weg soll für Veränderungen in der Kirche und neuen Mut gesorgt werden. Ein wichtiges Anliegen ist die Gleichstellung von Mann und Frau.

Das Gebet, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde und sich um die ganze Welt verbreiten soll, ist bereits auf grossen Anklang gestossen. In zahlreichen Pfarreien, unter anderem in der Stadt Luzern, findet es wöchentlich statt. Auch in Deutschland und Luxemburg wird für Reformen gebetet.

2. «Für eine Kirche mit den Frauen»: Eine mehrköpfige Gruppe um Hildegard Aepli, Pastoralassistentin im Bistum St. Gallen, nahm 2016 1200 Kilometer unter die Füsse, um von St. Gallen nach Rom zu pilgern. An der zweimonatigen Aktion beteiligten sich abschnittsweise rund 1000 Personen. Am 2. Juli, zum Abschluss der Wallfahrt, wurde im Petersdom in Rom ein Brief mit der Bitte an den Papst verlesen, den Frauen mehr Möglichkeiten zum Mitwirken, Mitgestalten und Mitentscheiden zu geben.

Franziskus solle den Ortskirchen entsprechende Weisungen erteilen. Am Pilgertag in Rom waren unter anderen Irene Gassmann, die Bischöfe Felix Gmür (Basel) und Markus Büchel (St. Gallen) sowie Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln, präsent. Der Bündner Kapuziner Mauro Jöhri überreichte dem Papst den Brief im Dezember 2016 persönlich.

3. «Eine Kirche umfassender Gleichwertigkeit»: Sie hatten genug. Sechs bekannte Feministinnen, darunter die ehemalige Luzerner Nationalrätin Cécile Bühlmann und die ehemalige Zürcher Stadträtin Monika Stocker (beide Grüne) traten im vergangenen November aus der Kirche aus, nachdem Papst Franziskus die Abtreibung mit «Auftragsmord» gleichgesetzt hatte. Diese Aussage, hielten die Frauen fest, habe das Fass zum Überlaufen gebracht. «Die Frauenfeindlichkeit hat in der römisch-katholischen Klerikerkirche seit Jahrhunderten System», ergänzten sie. Die beiden Theologinnen Jacqueline Keune (Luzern) und Monika Hungerbühler (Basel) reagierten im letzten Dezember auf die Kirchenaustritte mit einem Text mit dem Titel «Eine Kirche umfassender Gleichwertigkeit».

Mehr als 300 Theologinnen und Theologen haben das Schreiben mitunterzeichnet. Darin verlangen sie Gleichstellung von Frauen und Männern. Am 19. Juni werden Keune und Mitstreiterinnen den Basler Bischof Felix Gmür in dieser Angelegenheit treffen. In einem Ende März veröffentlichten Forderungskatalog verlangen sie unter anderem, dass die Schweizer Bischöfe keine Männer mehr zu Diakonen und Priestern weihen, bis diese Ämter nicht auch Frauen offenstehen. Zudem sollen sich die Bischöfe in Rom für ein diskriminierungsfreies Kirchenrecht einsetzen. Die Theologinnen ermuntern die Bischöfe auch, ungeachtet römischer Vorgaben regionale Lösungen umzusetzen. (kä)