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Schweiz
Antonio Hodgers geht in die mediale Offensive und entschuldigt sich für seine Aussagen, die Sexismus-Vorwürfe zur Folge hatten. Doch der Erfolg seiner Strategie ist zwiespältig.
Ein rasches, simples «pardon» hätte es wohl getan. Dann wäre die Sache relativ schnell vergessen gewesen. Doch es kam anders.
Vor eineinhalb Wochen sorgte Genfs Regierungspräsident Antonio Hodgers in einer RTS-Satiresendung für Aufregung, als er eine ihm unliebsame Journalistin von «Le Temps» mit einem Groupie verglich: «Diese Journalistin ist in Pierre Maudet verliebt, wie ein junges Mädchen in Justin Bieber.»
Der Grüne Hodgers war plötzlich mit Sexismus-Vorwürfen kritisiert – und das nur wenige Tage nachdem er voller Selbstvertrauen sagte, er könne sich eine Bundesratskandidatur nach der grünen Welle bei den Wahlen vorstellen. Auch namhafte Parteikolleginnen wie Céline Vara, Lisa Mazzone und Leonore Porchet kritisierten Hodgers (CH Media berichtete).
Und Hodgers? Der 43-jährige Magistrat schwieg. Medienanfragen blieben unbeantwortet. Am Dienstag ging Hodgers dann in die Offensive. Dem «Tages-Anzeiger» gab er ein grosses Interview, in dem er Reue zeigte: «Wenn sich die Journalistin als Frau verletzt fühlt, entschuldige ich mich bei ihr.»
Den Kern seiner Kritik, wonach es der Redaktorin gemäss seinem Gusto an der nötigen journalistischen Distanz zu Pierre Maudet fehlt, bekräftigte er jedoch. «Ein Mann muss eine Frau aufgrund ihrer beruflichen Arbeit kritisieren dürfen. Das hat nichts mit Sexismus zu tun.
Ich hätte dasselbe gesagt, wenn die Journalistin ein Mann gewesen wäre.» Hodgers weiter: «Ich bin ein Feminist. Alles, was um die Me-Too-Bewegung geschehen ist, ist extrem wichtig. Ich mache viel, dass Frauen in Kaderpositionen kommen.»
Damit nicht genug. Am Mittwoch ging Hodgers‘ Entschuldigungstour weiter. Auf der Frontseite von «L’Illustré», dem Westschweizer Pendant zur «Schweizer Illustrierten», posierte der Genfer im Anzug zusammen mit seiner hochschwangeren Frau Maïssa Brunetti. Die Schlagzeile: «Sollte ich Frauen verletzt haben, entschuldigte ich mich.»
Hodgers dürfte sich damit den Befreiungsschlag erhofft haben. Doch sein Erfolg ist zweifelhaft, denn vor allem das Magazin-Cover löst erneut Kritik aus. Valérie Vuille, Direktorin des Organisation Décadrée und Expertin für Gleichberechtigungsfragen, spricht von einer Instrumentalisierung von Hodgers Frau und ihrem Bauch, der weiter hinten im Heft auf einer ganzen Seite abgebildet ist: «Weshalb nimmt er seine Frau mit vor die Kamera, wenn er auf Diskriminierungsvorwürfe antworten muss? Was hat ihre Schwangerschaft mit seinen Aussagen zu tun?
Die Antwort lautet: nichts.» Hodgers Auftritt im Magazin sei höchst problematisch. «Es ist eine Ablenkungsstrategie.»
Die Politologin Regula Stämpfli sagt, als PR-Beraterin hätte sie Hodgers geraten, den Ball flach zu halten. Aber: «Die Masche mit der schwangeren Frau funktioniert beim breiten Publikum. Einem so anrührenden schönen Paar kann, will und soll man nichts Böses.»
Die Bildsprache auf der Frontseite bezeichnet sie als ikonographisch, als extrem klassisch: «Der starke Mann als Beschützer der schönen, schwangeren Ehefrau, die ihm total vertraut und ihm ergeben ist.»
Öffentliche Mea-Culpa-Auftritte von Politikern mit der Ehefrau zur Seite ist man sich vor allem aus den USA gewohnt. Stämpfli glaubt aber, dass diese Art der Inszenierung auch in der Schweiz zunehmend funktioniert, da die amerikanische «Sorry-Kultur» Einzug halte.
Sie erwartet aber, dass diese Strategie Hodgers bei einer allfälligen Bundesratskandidatur zumindest innerhalb der grünen Fraktion nicht helfen wird.