Stimmrecht
Mit 14 schon für die Mutter abgestimmt

Dürfen Jugendliche im Kanton Bern zukünftig schon im Alter von 16 Jahren wählen und abstimmen? Genau dies fordert die Initiative, über welche am 29. November abgestimmt wird. Das Jugendparlament Oberaargau organisierte zu diesem Zweck gestern eine Podiumsdiskussion.

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Podium

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az Langenthaler Tagblatt

Quentin Schlapbach

Bei einem Punkt waren sich die Pro- und die Kontraseite einig: Bei einer Annahme der Initiative würden die Abstimmungsergebnisse und die Stimmbeteiligung bei zukünftigen Abstimmungen nicht anders ausfallen. Jugendliche unterscheiden sich in ihrem Stimm- und Wahlverhalten kaum von Erwachsenen. Trotz dieser Tatsache wird heftig über die Vorlage des Jugendstimmrechts debattiert. Diese bewegt auch Nichtpolitiker, vor allem natürlich die Jugendlichen selbst. So waren gestern denn auch beinahe alle Stühle in der Gymer-Aula von interessierten Schülerinnen und Schülern besetzt, die sich zu dem Thema eine Meinung bilden wollten.

Passives Wahlrecht fehlt

Auf der Seite der Befürworter standen Reto Müller, Nadine Masshardt (beide SP) und Daniel Steiner (EVP). Zwischen den beiden Fronten fungierte Adrian Wüthrich als Moderator. Das Lager der Gegner bildeten Samuel Leuenberger (BDP) und Patrick Freudiger (SVP). Interessant war, dass vier der fünf Podiumsteilnehmer (alle ausser Samuel Leuenberger) vor einigen Jahren auch das Gymnasium Oberaargau besuchten und somit in derselben Position waren, wie die meisten Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal.

Die Frage, ob sich die Podiumsteilnehmer im Alter von 16 Jahren schon für Politik interessierten, beantworteten die meisten mit Ja. Reto Müller gab zu, dass er schon mit 14 den Wahlzettel seiner Mutter ausfüllte, wenn diese selbst keine Meinung zu einer Vorlage hatte. Auch Patrick Freudiger interessierte sich schon in frühen Jahren für die Politik - aber im Alter von 16 hätte er selbst lieber schon für ein Amt kandidiert als zu wählen. Dort war auch Freudigers Hauptkritikpunkt, dass die Vorlage nur das aktive Stimm- und Wahlrecht enthalte und nicht auch das passive Wahlrecht (sich selbst für ein Amt wählen lassen). «Wenn man dafür ist, das Stimmrechtsalter zu senken, dann sollte man konsequent sein und auch das passive Wahlrecht ab diesem Alter einführen», sagte der SVP-ler.

Schutz vor Politik?

Nadine Masshardt, die Initiantin der Vorlage, will mit der Initiative vor allem die politische Bildung verbessern. «Viele Jugendliche werden in der Volksschule politisch gebildet. Dann ist es doch logisch, dass sie dieses Wissen auch bei politischen Vorlagen einbringen wollen und nicht noch warten, bis sie 18 sind.» Zwischen 16 und 18 gehe dieses Wissen oft verloren, da man es in der Praxis nicht einsetzen könne, so Masshardt. Samuel Leuenberger ist dagegen, dass die Schwelle des Erwachsenseins stetig gesenkt wird. «In diesem Alter haben die Jugendlichen andere Prioritäten», hielt er fest. Für Daniel Steiner war dieses Argument nicht stichfest. «Die Jugendlichen müssen doch nicht vor Politik geschützt werden», so der EVP-Präsident.

Nach der Diskussion wurde im Saal noch eine Probeabstimmung gemacht, die allerdings zu keinem eindeutigen Ergebnis führte, denn die Befürworter und Gegner hielten sich in etwa die Waage. Bei der Direktnachfrage zeigten sich die Jugendlichen eher skeptisch. «Ich denke, Jugendliche in diesem Alter sind noch nicht reif genug für Abstimmungen», konstatierte Stefan Vauthey, 17, aus Herzogen-buchsee. Thomas Erni, 16 und ebenfalls aus Buchsi, ist auch gegen die Vorlage. Er denke, dass die Mehrheit der unter 18-jährigen sich nicht für Politik interessiere. Auch die politische Bil-dung sei ungenügend. «Im Schulunterricht am Gymnasium behandeln wir solche Themen praktisch nie», so Erni.