Corona-Virus
Milliardenhilfe für die Wirtschaft ist am Donnerstag bereit

Die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte genehmigt das riesige Rettungspaket – der Bundesrat beantragt eine ausserordentliche Session.

Sven Altermatt,
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Wie hoch der Zins für die Kredite sein wird, den die Firmen aufnehmen können, wollte Peter Hegglin nicht verraten.

Wie hoch der Zins für die Kredite sein wird, den die Firmen aufnehmen können, wollte Peter Hegglin nicht verraten.

Anthony Anex / KEYSTONE

Der Bundesrat greift tief in seine Kassen, um die Wirtschaft in der Corona-Krise zu unterstützen: Er will Soforthilfe in der Höhe von 42 Milliarden Franken zur Verfügung stellen. Allein die dringlichen Kredite für die Abfederungsmassnahmen belaufen sich auf über 30 Milliarden Franken. Die Landesregierung hat am vergangenen Freitag das grösste Hilfspaket der Schweizer Geschichte geschnürt, und zwar gestützt auf das Notverordnungsrecht. Derzeit hält der Bundesrat das Heft des Handelns fest in der Hand. Die Gewaltenteilung ist vorübergehend ausgehebelt – so macht es die Bundesverfassung bei einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung möglich. Der Kampf gegen das Corona-Virus führt zu immer schärferen Einschnitten in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Doch trotz Notrechtsregime kann der Bundesrat nicht ganz allein schalten und walten. Bei Stützungsmassnahmen aus der Bundeskasse hat auch ein illustres Grüppchen des Parlaments noch ein Wörtchen mitzureden: Die Finanzdelegation, kurz FinDel, muss dem Hilfspaket zustimmen. Dieser Abordnung gehören je drei Parlamentarier aus beiden Kammern an. Vertreten sind nur die vier Bundesratsparteien. Am Montagabend gab die FinDel grünes Licht: «Wir unterstützen die Massnahmen des Bundesrats», erklärte Ständerat Peter Hegglin (CVP/ZG), der Präsident der FinDel, vor den Medien. Man verfüge über die Mittel und sei auch in der Lage, diese einzusetzen.

Der Bund bürgt zu 85 Prozent, die Banken zu 15 Prozent

Einfach abgeknickt habe man die Kredite nicht, betonte Hegglin. Der FinDel sei es wichtig, dass der Vollzug ordnungsgemäss ablaufe und dass Missbrauch verhindert werde. Bei Falschangaben drohen Unternehmen satte Bussen und Strafen, warnte er. Zudem dürfen Unternehmen, welche die Kredite in Anspruch nehmen, keine Dividenden und Boni ausbezahlen.

Man sei sich auch der hohen Verlustrisiken beim Einsatz der Solidarbürgschaft als Instrument zur Abfederung von Liquiditätsengpässen bewusst, sagte Hegglin weiter. Bei Krediten bis zu 500'000 Franken wird der Bund eine vollumfängliche Solidarbürgschaft leisten, bei Krediten über 500'000 Franken wird er zu 85 Prozent bürgen und die beteiligte Bank zu 15 Prozent.

Zu welchen Zinssatz die betroffenen Betriebe die Kredite aufnehmen können, wollte auch nicht Hegglin sagen. Der Bundesrat wird den Zinssatz voraussichtlich morgen Mittwoch bekannt geben, wenn er die definitiven Regeln vorstellt. Bereits am Donnerstag sollten die Mittel dann einsatzbereit sein, sagte Peter Hegglin. Nach dem Ja der FinDel kann der Bundesrat die massgebenden Verordnungen wie geplant in Kraft setzen.

Die Grünen bleiben aussen vor in der Finanzdelegation

Die FinDel hat die parlamentarische Oberaufsicht über die Bundesfinanzen. Die Grünen sind in dem Gremium nicht vertreten – obwohl sie im Nationalrat unterdessen die viertgrösste Fraktion stellen und die CVP beim Wähleranteil überrundet haben. «Es könnte eine der Lehren aus dieser Krise sein, dass künftig die grösste Nichtbundesratspartei in der FinDel vertreten sein sollte», kritisiert Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli. «Erst recht, weil bei so einem tief greifenden Entscheid die breite Abstützung sehr wichtig ist.»

In der Vergangenheit war die FinDel immer wieder in Dringlichkeitsverfahren gefordert: zuletzt bei der Rettung der UBS im Jahr 2008. Damals musste sie innert weniger Stunden über einen Sechs-Milliarden-Kredit entscheiden. Gefordert war die FinDel auch im Herbst 2001 bei der – teils misslungenen – Rettung der Swissair.

Schon in wenigen Wochen findet ausserordentliche Session statt

Erst seit dem Jahr 2011 muss die FinDel vom Bundesrat zwingend einbezogen werden. Unter dem Eindruck von UBS-Affäre und Swissair-Grounding hat das Parlament die Regeln verschärft. Der Bundesrat darf Kredite – wie nun in der Corona-Krise – nur noch dann sprechen, wenn die FinDel zugestimmt hat. Und die Landesregierung muss sämtliche «dringliche Verpflichtungen» dem Parlament zur nachträglichen Genehmigung unterbreiten.

Das heisst: Auch zum Corona-Rettungspaket werden die beiden Ratskammern das letzte Wort haben. Ablehnen können sie dieses faktisch jedoch kaum mehr, sobald Geld gesprochen und ausgegeben worden ist. Ein Nein hätte dann eine politische Krise zur Folge. Je früher das Parlament über die Kredite befinden kann, desto mehr Möglichkeiten hat es, noch Änderungen einzubringen.

Deshalb könnte innert drei Wochen nach dem Ja der FinDel eine ausserordentliche Session stattfinden. Zu einer solchen kommt es, wenn sie ein Viertel der Mitglieder eines Rates verlangt. Ebenso kann der Bundesrat die Einberufung beantragen. Auf Anfrage von CH Media bestätigte Bundesratssprecher André Simonazzi am Abend: «Der Bundesrat hat den Brief dem Parlament geschickt. Er beantragt eine ausserordentliche Session.»

Auch in dieser ausserordentlichen Lage verfüge das Parlament über parallele und konkurrierende Kompetenzen zum Bundesrat, betonten Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP) und Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP) in einer Stellungnahme. «Es wird alles darangesetzt, dass das Parlament diese Rechte und Pflichten als oberste Gewalt im Bund wahrnehmen kann.» In der Bundesstadt will man nach Räumen suchen, in denen der vorgegebene Abstand von zwei Metern zwischen zwei Personen eingehalten werden kann.