Covid-Tests
Mikrobiologinnen arbeiten nachts und am Wochenende: Die Labors testen am Limit – und das Material wird knapp

Letzte Woche wurden mehrmals täglich über 37'000 Personen getestet. Um die vergleichsweise aufwendigen PCR-Tests auszuwerten, müssen Mikrobiologinnen und ihre Kollegen seit Tagen Überstunden leisten, sowie nachts und an den Wochenenden arbeiten. Doch es gibt leise Hoffnung auf Entlastung.

Anna Wanner
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Der Nasen-Rachen-Abstrich mit dem Tupfer ist unangenehm, die Auswertung des sogenannten PCR-Tests ist aufwendig: Die Labors stossen an ihre Grenzen.

Der Nasen-Rachen-Abstrich mit dem Tupfer ist unangenehm, die Auswertung des sogenannten PCR-Tests ist aufwendig: Die Labors stossen an ihre Grenzen.

Laurent Gillieron / KEYSTONE

Wer Fieber hat oder ein Kratzen im Hals, soll sich testen lassen. So lautet die aktuelle Covid19-Teststrategie des Bundes. Bereits bei leichten Symptomen wollen die Behörden Gewissheit, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.

Doch die Strategie bröckelt. Der Kanton Neuenburg gab Anfang Woche bekannt: «Das kantonale Gesundheitssystem ist wegen der exponentiellen Verbreitung des Coronavirus überlastet.» Um die Ressourcen zu bündeln, änderte der Kanton kurzerhand die Testvorgaben: Wer bei guter Gesundheit ist, muss sich trotz Symptomen nicht mehr testen lassen, sondern in Isolation begeben. Tests sind Risikopersonen und dem Gesundheitspersonal vorbehalten.

Labors sind schweizweit überlastet

Zwar wiegelten die Bundesbehörden am Dienstag ab, das sei keine Änderung der Teststrategie, sondern Ausdruck mangelnder Kapazitäten. In Neuenburg sei es zu Engpässen bei den Tests gekommen, erklärte Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Die Gründe dafür seien vielschichtig, von knappen personellen Ressourcen über fehlende Materialien bis hin zu ausgelasteten Spitälern.

Auch wenn es nun so dargestellt wird: Die Situation in Neuenburg ist kein Einzelfall. Schweizweit laufen die Labors, welche die PCR-Tests auswerten, seit Tagen, ja teilweise seit Wochen am Anschlag. «Wir haben die Kapazitätsgrenzen erreicht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind maximal ausgelastet, sie leisten Überstunden und arbeiten nachts sowie an Wochenenden», sagt Markus Jutzi, Medizinischer Leiter Mikrobiologie bei Analytica, stellvertretend für die Branche. Er ist überzeugt: «Mehr Tests können wir unter den heutigen Voraussetzungen nicht liefern.»

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Ausweitung der Kapazität ist unwahrscheinlich

Zwar propagierte Gesundheitsminister Alain Berset, die Testkapazitäten liessen sich auf 40000 Tests pro Tag ausweiten. Doch handelt es sich dabei um eine theoretische Grösse. Sie widerspiegelt, was die Roboter in den Labors theoretisch leisten könnten. Doch müssen diese Geräte einerseits von Menschen bedient werden. Und andererseits braucht es für jeden Test auch spezifisches Material, das aktuell wegen Lieferengpässen zunehmend knapp wird.

Kurzfristig ist das möglich, denn die Labore leisten derzeit Ausserordentliches. Unter normalen Umständen und Arbeitszeiten können in der Schweiz täglich 25000 Tests ausgewertet werden. Mit einem Zusatzeffort an Überstunden, Nacht- und Wochenendschichten verarbeiten die Labore auch 30000 Tests pro Tag. Zuletzt waren es aber wiederholt mehr als 37000. Seit Anfang Oktober hat sich die Zahl der Tests mehr als verdreifacht.

Laut Daniel Albrecht, Leiter Sektion Heilmittelrecht beim BAG, wurden die Kapazitäten in den letzten Monaten zwar kontinuierlich ausgebaut. Trotzdem lässt sich die Anzahl Tests nicht so leicht weiter aufstocken, wie das der Bundesrat gerne suggeriert. Erstens müssten zusätzliche Geräte bestellt, installiert und von geschultem Personal in Betrieb genommen werden, was mit langen Lieferfristen verbunden ist. Zweitens fehlen nicht nur immer wieder Wattestäbchen für den Nasen-Rachen-Abstrich, auch Material für die Auswertung der Tests (wie aktuell Pipettenspitzen) ist nicht mehr frei verfügbar. César Metzger vom Labor Spiez, der die Lage für den Bund im Auge behält, spricht von Lieferengpässen in einer global angespannten Lage:

Die Situation spitzt sich angesichts der Wucht der zweiten Welle weltweit weiter zu.

Ein Lichtblick immerhin: Die Schweiz habe vor diesem Hintergrund auch «Erfolge» verbuchen und die Liefermengen bei wichtigen Produkten aufstocken können, sagt Metzger. Gleichzeitig stagniere der Nachschub bei anderem Material. Das führe zu weiteren Engpässen: «Die Labore haben ihre Lager angezapft, um die zusätzlichen Tests durchführen zu können. Nun sind diese Reserven mancherorts bereits erschöpft.»

Und schliesslich fehlt es drittens an spezialisiertem Personal, um noch mehr Tests auszuwerten. Auf Stellenportalen suchen verschiedene Labors nach mehr als einem Dutzend Mikrobiologen mit Laborerfahrung. Der Markt sei ausgetrocknet, heisst es in der Branche.

Hoffen auf Entspannung durch Schnelltests

Dass die Auswertung der Tests bei den Laboren zu Engpässen führt, ist dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) bekannt. Aktuell können die Labors den Aufwand gerade noch bewerkstelligen, zuletzt gingen die Testzahlen wieder etwas zurück. Daniel Albrecht vom BAG sagt: «Kurzfristig hoffen wir, dass sich der Engpass in den Laboren durch den Einsatz der Schnelltests entspannt.» Diese Antigen-Schnelltests sind gemäss Empfehlungen des BAG für jene Personen vorgesehen, die weder im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt tätig sind, noch zu den Risikopatienten gehören.

Die Kantone arbeiten an Konzepten, wie und wo die Schnelltests angewendet werden. Denn seit Anfang Woche stehen der Schweiz täglich 50000 Antigen-Tests zur Verfügung. Bei entsprechender Schulung und dank der Spezialvorgaben durch den Bund dürfen ausnahmsweise auch Ärzte und Apotheker Tests durchführen und auswerten. Letzteres ist im Normalfall den Labors vorbehalten.

César Metzger vom Labor Spiez verspricht sich dadurch zwei Vorteile: Durch den Einsatz von Schnelltests sinke erstens die Hürde für Menschen , sich testen zu lassen, weil die Tests dezentral zugänglich sind und schnell gemacht und ausgewertet werden können. Sie bedeuteten gleichzeitig auch eine Entlastung für die Labors.

Markus Jutzi von Analytica ist hingegen skeptisch:

Wer genau soll 50000 Tests pro Tag durchführen?

Und Jutzi fügt an: «Ärzte, Apotheker und Spitäler werden ihr Tagesgeschäft nicht plötzlich aussetzen können.» Auch verfüge die Schweiz nicht plötzlich über mehr Gesundheitspersonal. Für die Durchführung der Tests brauche man nebst dem Knowhow auch die nötige Infrastruktur, Zeit für Fragen des Patienten und die Dokumentation der Befunde. Eine Entlastung für die Labors verspricht sich Jutzi kurzfristig nicht. «Wir müssen noch eine Weile durchhalten.»