Startseite
Schweiz
Die Firma lanciert eine breite Kampagne für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft. Der Schwulenverband Pink Cross freut sich über das Manifest in den Regenbogenfarben. Eine Abstimmungsempfehlung wolle man aber nicht abgeben, sagt Coca-Cola.
Getränke sind politisch. Diese Erfahrung machte der Einsiedler Bierbrauer Alois Gmür. Als der CVP-Politiker im Nationalrat für ein verschärftes Asylgesetz votierte, drohte die Reitschule in Bern, den bürgerlich gebrauten Gerstensaft nicht mehr im linken Kulturzentrum auszuschenken.
Jetzt wagt Coca-Cola Schweiz einen Ausflug in die Politik. Der Getränkekonzern, Chiffre der Globalisierung schlechthin, hat am Montag via Titelseite von „20 Minuten“ eine landesweite Kampagne lanciert, die für ein „Mitenand“ plädiert: Für Vielfalt, Solidarität, eine bunte diskriminierungsfreie Gesellschaft, unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung.
Wer könnte da widersprechen? Bis jetzt bloss wenige, wie Martin Kathriner, Leiter der Unternehmenskommunikation der Coca-Cola HBC, dem Abfüllungspartner von Coca-Cola Schweiz, am Montag an einem Pressegespräch in Zürich erläuterte. Einige Rückmelder monierten, es gehe der Firma lediglich darum, sich in ein positives Licht zu rücken zwecks Ankurbelung des Umsatzes. Lob erhielt Kathriner von Michel Rudin, dem Co-Präsidenten des Schwulenverbandes Pink Cross.
Die Zustimmung überrascht nicht. Die Wertekampagne kommt erstens in den Regenbogenfarben daher, dem Symbol der LGBTI-Community. Zweitens stimmt das Volk am 9. Februar über die Ausweitung des Antirassismusgesetzes auf die sexuelle Orientierung ab. Gemäss Umfragen wird ein deutliches Ja resultieren - Coca-Cola surft perfekt auf der Welle des Zeitgeistes.
Coca-Cola Schweiz schaltet sich erstmals in eine gesellschaftspolitische Debatte ein. Matthias Schneider, Leiter der Unternehmenskommunikation von Coca-Cola Schweiz, versuchte wortreich zu erklären, weshalb die Regenbogenfarboffensive eigentlich gar nichts mit dem Urnengang zu tun habe. Und noch viel weniger wolle seine Firma eine Abstimmungsempfehlung abgeben. Stattdessen beschrieb Schneider das Manifest als Start zu einer umfassenden Marketingkampagne, in dem das „Miteinander“, das Brücken schlagen im Fokus stehe. Das passe zur DNA von Coca-Cola. So habe sie 1955 in den USA als erste Getränkefirma eine dunkelhäutige Werbebotschafterin engagiert.
Coca-Cola möchte eine Wertedebatte anstossen. Die Frage, ob Diskriminierung in der Schweiz überhaupt ein grosses Problem darstelle, mochte Schneider nicht beantworten. Kathriner stellte fest, dass die Gesellschaft jetzt, im Vorfeld der Abstimmung, genau über solche Fragen diskutiere. Er verwies auf gewalttätige Übergriffe gegen Homosexuelle. Da wolle Coca-Cola die Stimme erheben.
Die Kosten der Regenbogenkampagne behält Coca-Cola unter dem Flaschendeckel. Klar ist: Das Manifest wird in allen vier Landesprachen erscheinen – auch in Publikationen, in denen man es nicht erwarten würde, nämlich auf dem Cover der kommenden Ausgabe der „Weltwoche“. Die Wochenzeitschrift lehnt das neue Gesetz ab. Man wolle auch Menschen ansprechen, die unter Umständen eine andere Meinung vertreten würden, sagte Kathriner.
Das versuchte auch das LBGTI-Komitee „Sonderrechte Nein“. Es platzierte im Schwulenmagazin Display ein Inserat gegen den ausgeweiteten Diskriminierungsschutz. Darauf kündigte der Geschäftsleiter der Aids-Hilfe Schweiz vorerst jegliche Zusammenarbeit mit Display – weil es mit dem „SVP-Inserat“ gegen all „unsere Werte“ verstossen habe.
Die Aids-Hilfe ruderte später zurück – und bezeichnete den Boykott als Fehler, der nicht ihrem Verständnis einer demokratischen Debattenkultur entspreche.