Medienkritik
Markus Somm lanciert den «Nebelspalter» neu: Es ist eine Sturzgeburt

Der «Nebelspalter» erscheint seit heute online als konservative Meinungsplattform. Das traditionelle Satiremagazin der Schweiz verliert damit den Witz. Eine erste Betrachtung.

Christian Mensch
Christian Mensch
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So sieht der neue Nebelspalter online aus.

So sieht der neue Nebelspalter online aus.

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Der neue «Nebelspalter» ist online. Im Alter von 56 Jahren ist Markus Somm damit endlich jener Jungunternehmer, der er schon lange sein will. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Der gleichaltrige Roger Köppel führt die Rolle des Verlegers und Chefredaktors der «Weltwoche» schliesslich schon seit 2006 aus.

Es hat deshalb alles etwas schnell gehen müssen. Erst im Dezember kaufte der Journalist und Historiker Somm zusammen mit dem Ex- und Alt-Banker Konrad Hummler den «Nebelspalter». Davor hatte er 70 Personen mit Vermögen jeweils 100'000 Franken als Startkapital abgerungen. Er hat Personal rekrutiert, Büros bezogen, eine Website gebaut. Man könnte auch sagen: Der neue «Nebelspalter» ist eine Sturzgeburt.

Die Eile ist dem Produkt anzumerken. Es ist ein Feuerwerk der Ideenlosigkeit, mit der das alt-neue Medium seine Plattform freigeschaltet hat. Eine Boygroup von Journalisten, die er in seiner Zeit als Chefredaktor der «Basler Zeitung» um sich geschart hat, verfasste eine Reihe von meinungsstarken, rechercheschwachen und damit überraschungsfreien Beiträgen in jenen Themenfeldern, in denen sie sich heimisch fühlen. Jeder von ihnen hat dazu schon bessere verfasst. Wer sie lesen will, hat 1,60 Franken zu bezahlen oder ein Abo für 16 Franken für einen Monat zu lösen.

Markus Somm ist mit Beispiel vorangegangen. «Die Tage des Nebels sind gezählt», überschreibt er seinen Eröffnungsartikel. Es ist die X. Aufguss seiner Erzählung, wie er vor dreissig Jahren als Linker den sozialistischen Utopien verfallen gewesen sei, diese Utopien sich jedoch zu traurigen Halluzinationen gewandelt hätten, um nun vom neuen Morgengrauen zu berichten: «Es ist eine neue Epoche angebrochen, deren Züge im Nebel liegen.»

Markus Somm.

Markus Somm.

Sandra Ardizzone

Während im Wort «Nebelspalter» der Anspruch innewohnt, trotz Schleier von Wasserperlen eine satirische Klarheit zu schaffen, tapst Somm eher hilflos in seinem Nebel: «Sicher ist nur, alles ist unsicher.» Einerseits ist er überzeugt: «Das Pendel schlägt immer zurück. Die Ära der Linken hat sich erschöpft.»

Andererseits meint er: «Jede Partei, ob rechts oder links, ringt um die Gewissheit, überhaupt noch ein politisches Anliegen zu haben.» Ja was denn nun? Somm kann es besser, wenn er sich dafür Zeit nimmt.

Von Satire finden sich im neuen Online-«Nebelspalter» allenfalls Spurenelemente. Wer sich den Sparwitz der Realsatire der Nebel-Metaphorik verkneift, kann allenfalls in der als wöchentlich angekündigten «Tamara Wernli Show» echt satirisches Potenzial erkennen. Etwa, wenn sie in der ersten Folge die Frau als Opfer von allem und jedem überzeichnet. Doch ausgerechnet sie, die bisher eher als Sidekick von Roger Köppels Standup-Comedian-Serie «Weltwoche daily» wahrgenommen wurde, will gar keine Satire machen.

Er schwanke zwischen «Panik und Euphorie» sagt Somm im Videointerview, das Reto Brennwald, ein weiterer Mitstreiter, zum Programmstart mit ihm führt. Wie sich das anfühlt? Auf der Gefühlsskala von eins bis zehn, so fragt Brennwald, sei er bei zwölf, sagt Somm. Dass er dazu lacht, macht die Aussage nicht sinnfälliger.

Der alte «Nebelspalter», den es zunächst noch in unveränderter Form als Zeitschrift gibt, würde dazu den Journalisten, Lyriker und Satiriker Julius Bierbaum zitieren, der den Aphorismus prägte «Humor ist, wenn man trotzdem lacht». Er wollte damit zur Toleranz aufrufen. Nicht nur in diesem Sinne gilt es dem neuen «Nebelspalter» zu wünschen, was es jedem Medium zu wünschen gilt, das auf den Markt kommt und die Vielfalt bereichert: gut Glück.