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Schweiz
Geschäftsleiter Markus Allemann über den gestern zurückgekehrten Greenpeace-Aktivisten Marco Weber, ob sich die Aktion auf der russischen Ölplattform gelohnt hat und über die Verantwortung, welche Greenpeace für ihre Aktivisten trägt.
Ist Marco Weber wieder in der Schweiz?
Markus Allemann: Er ist am Montagmorgen um 8.34 Uhr mit dem Zug eingetroffen. Marco ist als Aktivist bis ins Letzte glaubwürdig. Als er nach Weihnachten die Ausreiseerlaubnis hatte, wollte er nicht fliegen. Er nahm den Zug. Von St. Petersburg nach Zürich sind es rund 50 Stunden Reisezeit. Für ihn war die Reise eine Art Zwischenraum, der die Zeit in Russland von dem zu erwartenden Trubel in der Schweiz trennt. Er ist ja unfreiwillig zu einer Art Berühmtheit geworden.
Wie ist es ihm während der Haft und des Hausarrestes im Hotel ergangen?
Ich kann mir nur ein Bild machen aus Berichten und einem einstündigen Telefongespräch nach seiner Haftentlassung. Ich erlebe ihn als einen zähen Menschen, der hart im Nehmen ist. Das sagt auch sein Vater über ihn. Ich glaube, das Schwerste für ihn war, dass er in der Haft keine Bewegung hatte und nicht nach draussen konnte. Das ist er sich als Zimmermann nicht gewohnt. Zwei Monate verbrachte er in Isolationshaft.
Wie haben Sie die Zeit erlebt?
Es herrschte grosse Unklarheit, was als Nächstes kommen und wie alles ausgehen würde. Die Untersuchungsbehörden liessen uns im Dunkeln tappen. Bei diesem Rechtssystem, wenn es den Namen denn verdient, ist vieles schwierig zu verstehen. Das war zermürbend.
Wie hat Greenpeace den Aktivisten in dieser Situation geholfen?
Jeder Aktivist hat einen Anwalt bekommen, der ihn in Murmansk und in St. Petersburg begleitete. Wir hatten auch ein Team vor Ort, dass während der langwierigen Verhandlungen immer wieder ermöglichte, dass die Gefangenen Briefe und Pakete erhalten konnten. In den Herkunftsländern der Aktivisten hat Greenpeace versucht, öffentlichen Druck zu erzeugen.
Trotzdem war das Geschick der Inhaftierten ganz in Russlands Hand.
Wir waren zu hundert Prozent der Willkür des Apparats ausgesetzt. Russland ignorierte sogar einen Entscheid des Internationalen Seegerichtshofs, obschon das Land den Seerechtsvertrag anerkennt.
Hatten Sie so etwas erwartet?
In dieser Heftigkeit nicht. Wir haben den Aktivisten erklärt, dass sie bei dieser Aktion wegen Rowdytums angezeigt werden könnten. Die Aktivisten haben sich trotzdem für die Aktion entschieden. Vor einem Jahr haben wir bei derselben Plattform eine Aktion durchgeführt. Die Küstenwache reagierte mild.
Hat es sich gelohnt?
Der Preis war hoch. Aber die Aktivisten führten die Aktion ja gerade deshalb durch, weil sie Aufmerksamkeit wecken und eine Botschaft überbringen wollten. Das ist ihnen mit dieser Aktion gelungen, und deshalb hat sie sich gelohnt. Es haben sich auch schon einige Aktivisten geäussert: Sie würden es wieder tun.
Marco Weber äussert sich erst heute Dienstag – bleibt er Aktivist?
Er hat noch nichts anderes gesagt. Ich habe ihn auch deshalb gleich nach der Haftentlassung angerufen. Ich wollte wissen, wie er zu Greenpeace steht. Ob es etwas gibt, was wir falsch gemacht haben. Aber er steht mit uns auf einer guten Beziehungsebene. Er kam am Montag zum Frühstück, zu dem wir geladen hatten. Es waren andere Aktivisten da, seine Familie und Freunde.
Wer trägt die Verantwortung bei einer Aktion – Greenpeace oder die Aktivisten?
Greenpeace sorgt dafür, dass die Aktivisten in Sicherheit ihre Botschaft überbringen können. Die Aktivisten machen das unbezahlt in ihrer Freizeit und tragen das Risiko, schlimmstenfalls für ihre Handlung vor dem Richter zu stehen. Greenpeace sorgt für die Sicherheit und die Infrastruktur, in diesem Fall wurde das Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise eingesetzt.
Nach welchen Kriterien plant Greenpeace eine Aktion?
Aktionen machen wir erst, wenn die anderen Mittel nichts genützt haben. Für den Arktisschutz haben wir über Jahre andere Ebenen beschritten: Wir haben an Konferenzen teilgenommen, Gespräche geführt, lobbyiert. Mit einer Aktion betritt man die nächste Eskalationsstufe. Wir haben hier die richtige Ölplattform gewählt: Sie hat als Erste in der Arktis zu bohren begonnen und die Betreiberin Gazprom hat viele Unfälle in der Ölförderung verursacht. Die Reaktion auf unsere Aktion war heftig, weil wir in ein Wespennest gestochen haben. Der Ort war richtig gewählt, so macht eine Aktion Sinn.
Was nimmt Greenpeace mit aus dem russischen Abenteuer?
Dass es eine grosse Sorgfalt braucht bei solchen Vorhaben. Wir wollen Menschen nicht in Gefahr bringen. Das haben wir auch bei dieser Aktion nicht gemacht – die Heftigkeit der Reaktion war nicht absehbar. Wir werden nach diesen Erfahrungen nicht aufhören, in Russland aktiv zu sein. Aber die ganze Aktion werden wir genau analysieren.