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Schweiz
Das elektronische Sammeln von Unterschriften soll nicht mehr eine links-grüne Domäne sein. Eine Gruppe von SVP-Politikern will es der erfolgreichen Plattform Wecollect nachmachen.
«Hin und wieder stehen wir in der Pflicht, die Komfortzone zu verlassen und aktiv zu werden. Dann werden wir mit Gottes Hilfe auch erfolgreich sein.» Hans Moser, Präsident der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), hofft in der Märzausgabe seines Parteiblattes «Standpunkt» auf himmlischen Beistand.
Denn einen Monat vor Ablauf der Frist sind für das Referendum gegen die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm auf die sexuelle Orientierung, welches seine Partei zusammen mit der Jungen SVP ergriffen hat, nur etwa 18 000 der nötigen 50 000 Unterschriften beisammen. Nun bahnt sich indes auch irdische Unterstützung an, in Form einer bürgerlichen Onlinesammelplattform namens Collectus beziehungsweise «collectus.ch».
Ins Leben gerufen hat sie eine Gruppe rund um Anian Liebrand, dem ehemaligen Präsidenten der Jungen SVP. Mit an Bord sind der Thurgauer Softwareingenieur Thomas Gemperle, der St. Galler Kantonsrat und Internetunternehmer Ivan Louis sowie der Luzerner Daniel Erni, Inhaber einer Werbeagentur.
Die vier sind zwar allesamt Mitglieder der SVP, wollen ihre Webplattform aber auch für Initiativen und Referenden der anderen bürgerlichen Parteien zur Verfügung stellen: «Wir nehmen auch ein FDP-Thema auf oder eines von CVP oder BDP – im Zweifelsfall lieber ein Projekt mehr als eins weniger», sagt Liebrand. In ein paar Tagen soll es so weit sein: «Wir arbeiten mit Hochdruck daran.»
Ziel ist, ein bürgerliches Gegengewicht zur erfolgreichen Onlineplattform Wecollect von Daniel Graf zu schaffen, dem Politkampagnen-Spezialisten, der auf seiner Internetseite nicht nur Unterschriften sammelt, sondern auch Spenden für die diversen Projekte. Inzwischen hat der Pionier einen Stamm von über 50 000 Adressen aufgebaut – alles Namen von Leuten, die bereit und willens sind, sich mit ihrer Stimme und teils auch finanziell für linke und grüne Themen zu engagieren.
Das sei eine nicht zu unterschätzende Leistung, zollt Liebrand dem politischen Gegner Respekt. Collectus wolle sich auch an Grafs Erfolgskonzept orientieren, die Leute in die Verantwortung zu nehmen und von Anfang an zum Mitträger von Initiativen oder Referenden zu machen. Insofern ist es kein Zufall, dass der Name der rechten Plattform ähnlich wie derjenige des linken Vorbildes klingt. Nur duzen werde man die Leute nicht: «Unsere Zielgruppe schätzt eine zurückhaltende Kommunikation», sagt Liebrand.
In der Anfangsphase setzen er und seine Mitstreiter auf das Botschaftersystem: «Wir möchten namhafte Politiker aus verschiedenen Parteien überzeugen, uns auf ihrer Webseite und in den sozialen Medien zu empfehlen.» Auf diese Weise soll nicht nur das Referendum gegen die Ausweitung der Antirassismus-Strafnorm doch noch zum Fliegen kommen, sondern auch weitere bürgerliche Projekte durchstarten können.
Als Beispiel nennt Liebrand die CVP-Initiative zur Senkung der Gesundheitskosten, die bei Graf durchgefallen war, oder die Initiative gegen das E-Voting, an der sich zahlreiche SVP-Exponenten, aber auch linke und grüne Politiker beteiligen.
Anders als das «Zensurgesetz», wie die EDU und Junge SVP die erweiterte Antirassismus-Strafnorm nennen, sind diese aber auch so schon gut unterwegs. Die E-Voting-Gegner konnten eine Vorkampagne auf Wecollect platzieren, dank der sie schon vor Sammelstart am 12. März 30 000 Unterschriften zugesichert erhielten. Es laufe hervorragend, er sei sehr zufrieden, sagt der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter, Präsident des Initiativkomitees für ein E-Voting-Moratorium.
«Für uns kommt Collectus etwas spät», bedauert wiederum der Solothurner Nationalrat Stefan Müller-Altermatt, Initiativchef für die Gesundheits-Initiative der CVP. Seine Partei setzte auf die traditionellen Sammelkanäle, nachdem sie bei Wecollect abgeblitzt war, und kann vier Monate nach dem Sammelstart 30 000 Unterschriften vorweisen. «Ob wir bei collectus.ch aufschalten werden, klären wir derzeit noch ab», sagt er. Staatspolitisch jedenfalls sei die Konkurrenz aus einer anderen politischen Ecke begrüssenswert.
Sie dürfte nicht die einzige bleiben, weder von rechts noch von links. So hat die SP ein Onlinewerkzeug namens «Democracy Booster» nach dem Vorbild von Webcollect entwickelt, welches sie allen Interessierten zur Verfügung stellen will. Ähnliche Pläne hegen auch die Initianten der «No Billag»-Initiative sowie der gescheiterten Initiative für Tempo 140 auf Autobahnen, Olivier Kessler und Marco Schläpfer.
Sie sind daran, eine Plattform für bürgerliche Anliegen unter dem Namen «thepeople.ch» – also englisch für «das Volk» – zu entwickeln. In der Vollversion soll diese allerdings erst im Sommer vorliegen, wie Kessler auf Anfrage sagt. Zu spät für den Kampf gegen das «Zensurgesetz», bei dem die Referendumsfrist am 8. April abläuft.
«Es wird verschiedene Plattformen geben», prophezeit Daniel Graf. Für die Zukunft gibt der Pionier zu bedenken, dass man mit Unterschriftensammeln im Netz Geld verdienen könne. Die grosse Frage werde deshalb sein, was mit den Daten und mit den Spenden geschehe.