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Schweiz
Der Wirtschaftsprofessor erklärt die Überschüsse und sagt, was er damit machen würde.
Reiner Eichenberger: Das liegt am Wirtschaftswachstum und am progressiven Steuersystem. Wenn Einkommen und Gewinne wachsen, steigen die Steuereinnahmen wegen der Progression überproportional. Zudem wirkt sich die Zuwanderung aus. Es leben schlicht mehr Steuerzahler im Land. Die Verursachen mehr Kosten, aber die werden erst mit Verzögerung spürbar. Wegen der Zuwanderung steigen zudem die Bodenpreise, was über den Eigenmietwert ebenfalls zu mehr Steuern führt. Den gleichen Effekt sehen wir bei Aktien. Deren Wert stieg in den letzten Jahren, also müssen deren Besitzer höhere Steuern zahlen, obwohl sie immer noch die gleichen Aktien besitzen.
Die Weltwirtschaftskrise hat praktisch nicht stattgefunden in der Schweiz. Unsere Wettbewerbsposition hat sich darum verbessert. Wir sind attraktiv für Firmen, weil das Umfeld sonst katastrophal ist.
Das liegt daran, dass von unten budgetiert wird. Jede Verwaltungseinheit muss angeben, wie viel Ressourcen sie braucht, und dann werden von oben in einem Aushandlungsprozess die einzelnen Posten wieder gekürzt. Das setzt den Anreiz, Geld zu verlangen, das man gar nicht ausgeben kann. Für Finanzpolitiker ist es zudem unangenehmer, ein überraschendes Minus präsentieren zu müssen als ein entsprechendes Plus.
Die Steuern müssen gesenkt werden. Aber nicht nur für Reiche. Statt die Freigrenzen zu erhöhen oder neue Abzüge zu schaffen, müssen die Steuersätze als solche runter. In gewissen Kantonen kommen zwei verheiratete Mittelschullehrer schon in die höchste Progressionsstufe. Da bringen höhere Abzüge den Steuerzahlern keine Senkung der Steuerlast auf den höchsten Einkommensteilen und damit bessere Leistungsanreize. Dem Staat entsteht aber Steuerausfall. Zudem wird, sobald der Staat wieder Geld braucht, am Steuersatz geschraubt und werden nicht etwa die Abzüge wieder abgeschafft, die ja von den verschiedenen Lobbys bis aufs Blut verteidigt werden.
Das liegt an der direkten Demokratie und an der Konkordanz. In den meisten Ländern besteht ein Anreiz für Regierungen, ihre Wähler von Steuern zu verschonen und gleichzeitig ihre Klientel zu bedienen. Hätten wir etwa eine reine SVP-Regierung nach deutschem Modell, flösse das Geld in Strömen in die Landwirtschaft und in die Armee. Wäre die SP an der Macht, würde der Sozialstaat ausgebaut und die Lehrerlöhne würden erhöht, immer auf Kosten von Schulden und der Zukunft. Zum Glück funktioniert das bei uns aber nicht so. Die Schweiz hat sich zudem auf das Jahr 2003 die Schuldenbremse gegeben, die den Bundesrat dazu verpflichtet, langfristig nicht mehr auszugeben, als man einnimmt. Ähnliche Vehikel gibt es auf Kantons- und Gemeindeebene.
Der IWF erzählt immer mehr Unsinn. Der Staat hat gar nicht das nötige Wissen darüber, in welche Bereiche er investieren soll. Der Staat investierte etwa ins E-Voting und merkt jetzt, dass es nicht funktioniert. Die Behörden sollten sich da besser raushalten oder die Grundlagenforschung an den Universitäten fördern.
Ja, das wäre besser, aber die Welt würde in den allermeisten Bereichen auch nicht viel anders aussehen. Unser Beitrag auf den weltweiten technischen Fortschritt bewegt sich je nach Bereich zwischen Promille und ein bis zwei Prozenten. Grundlagenforschung ist o. k., aber die Förderung einzelner Projekte bringt wenig. Zudem zahlt die Schweiz schon ihren fairen Anteil an die Forschung weltweit. Das Beste, was die Schweiz tun kann, ist den Jungen eine solide Ausbildung zu bezahlen. Das wirkt sich später direkt auf ihre Einkommen aus.
Natürlich wollen die Subventionsjäger und deren politische Vertreter das. Aber Geld in die Entwicklung alternativer Energien zu stecken, bringt wenig. Da würde die Schweiz besser ein Kohlekraftwerk in Deutschland kaufen und es stilllegen. Das wäre effektiver Klimaschutz. Denn die alternativen Energien ersetzen ja die fossile Energie nicht, sondern befriedigen nur zusätzliche Bedürfnisse. Was es bräuchte stattdessen, ist Kostenwahrheit. Das müsste aber für den öffentlichen Verkehr und die Autofahrer gleichermassen gelten.
In den Gemeinden beginnt sich das zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstum nun langsam, aber stark auszuwirken. Sie müssen zum Beispiel massiv Schulhäuser bauen. Die Gemeinden haben zudem den Druck viel direkter aus der Bevölkerung, die Steuersätze herunterzuholen und so der Staatsaufblähung durch das Wirtschaftswachstum entgegenzuwirken.