Schweizer zahlen ein Mehrfaches für Generika als europäische Nachbarn. Gelingt ein letzter Anlauf, dies zu ändern?
Das Schmerzmittel Ibuprofen ist in Dänemark vier Mal günstiger als in der Schweiz. Und für einen Magensäureblocker zahlen hiesige Patienten bis zu acht Mal mehr als in Schweden. Seit Jahren moniert der Preisüberwacher, in der Schweiz seien die Medikamentenpreise zu hoch. Während die Preise für Originalpräparate in den letzten zehn Jahren sanken und sich auf Anordnung des Bundesrats jenen im Ausland anglichen, bleibt bei Generika die Differenz gross.
Bei den 20 umsatzstärksten Wirkstoffen sind die hiesigen Preise im Schnitt mehr als 2,5 Mal höher (plus 165 Prozent) als in 15 europäischen Vergleichsländern wie Deutschland, Österreich oder Dänemark. Das weist der Preisüberwacher in einer neuen Studie nach. Und er vergleicht darin auch die verschiedenen Vorschläge, die derzeit im Parlament auf dem Tisch liegen. Um mehrere hundert Millionen Franken an Gesundheitskosten zu sparen, gibt es laut Preisüberwacher nur ein probates Mittel: «Das Referenzpreissystem kennt kaum taugliche Alternativen.»
Das System funktioniert so: Gibt es von einem bestimmten Wirkstoff verschiedene Medikamente, soll die Krankenversicherung nur noch das günstigere Generikum zahlen. Das führt zu einem Preiswettbewerb unter den Herstellern. In anderen Ländern sanken dadurch die Generikapreise deutlich.
Doch der Widerstand dagegen wuchs in den letzten Jahren kontinuierlich – es geht schliesslich um sehr viel Geld. Dem Vernehmen nach lobbyiert die Pharmabranche massiv. Das zeigte bereits im Frühjahr Wirkung. Der Nationalrat lehnte das bundesrätliche Referenzpreissystem ab und wollte die Generikapreise nur noch im kosmetischen Bereich senken. So unterstützt sogar der Verband der Generikahersteller die Vorlage.
Das nationalrätliche Modell zielt stattdessen auf eine stärkere Durchdringung des hiesigen Marktes mit Generika ab. Auch in diesem Bereich hinkt die Schweiz anderen Staaten hinterher: Nur etwas mehr als jedes vierte Medikament, das in der Schweiz verkauft wird, ist ein Nachahmerpräparat. Im Ausland sind es um die 50 Prozent.
An den Preisen ändert ein höherer Marktanteil freilich nichts. Zudem könnte der Bundesrat diese Änderung bereits heute per Verordnung umsetzen – wenn er denn wollte.
Der Bundesrat will über zwei Massnahmenpakete die Kosten im Gesundheitswesen dämpfen. Das erste Paket ist teilweise verabschiedet. Offen ist noch die Frage der Generikapreise. Das zweite Paket wird mit Spannung erwartet, weil es die nicht minder umstrittenen Zielvorgaben für die Kosten im System beinhaltet. Sparziel des Bundesrats sind mehrere hundert Millionen Franken pro Jahr. (wan)
Also stellt sich die Frage, wieso das Parlament vor der Senkung von Medikamentenpreisen zurückschreckt. Grundsätzlich profitieren die Prämienzahler von günstigeren Preisen, die Qualität der Therapie bliebe hingegen erhalten.
Als Vorbehalt wird am meisten die Versorgungssicherheit genannt. Schon heute können mehrere hundert Medikamente aus verschiedenen Gründen nicht bezogen werden. Die Engpässe könnten sich erhöhen, wenn die Hersteller angesichts des kleinen Marktes und der sinkenden Preise gar nicht mehr in die Schweiz liefern wollen.
Die politische Grosswetterlage hat sich seit Corona zudem verändert: Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit.
Verloren ist der Kampf um günstigere Generikapreise noch nicht ganz. Gemäss gut unterrichteter Quellen kommt von Behördenseite ein neuer Vorschlag zur Umsetzung eines Referenzpreissystems «light». Darin sollen die grössten Bedenken aufgefangen werden. Dazu gehört nebst der Versorgungssicherheit der Umgang mit Biosimilars, den Nachahmerprodukten von Biopharmaka. Diese sollen nicht mit anderen Generika gleichgestellt werden, wie die Industrie verlangt. Ein solcher Kompromiss tauchte im Nationalrat auf, wurde aber im Plenum abgelehnt. Am Dienstag und Mittwoch wird die Gesundheitskommission des Ständerats darüber beraten.
Trotz starkem Druck aus der Pharmaindustrie scheint der Ausgang offen. Konkret will sich niemand äussern. «Der Handlungsbedarf ist gegeben», sagt Mitte-Ständerat Pirmin Bischof (SO). Die Meinungen seien noch nicht definitiv gemacht. Auch FDP-Kollege Damian Müller (LU) sagt: «Bei den Generika liegt noch Sparpotenzial brach.» Gleichzeitig äussern beide Gesundheitspolitiker starke Bedenken, was die Versorgungssicherheit betrifft. «Das Risiko von weiteren Lieferengpässen würde verschärft», ist Müller überzeugt – und äussert eine Skepsis, die bis weit in linke Kreise verbreitet ist.