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Ladenöffnungszeiten: Die strategielosen Liberalisierer

Die gestrige Abstimmung zu den Ladenöffnungszeiten könnte weitere, für die Grossverteiler wichtigere Liberalisierungen gefährden. Doch: Die letzten zehn kantonalen Abstimmungen zu liberalisierten Ladenöffnungszeiten scheiterten alle.

Doris Kleck
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«Es geht um die 24-Stunden-Gesellschaft»: Tankstellenshop.André Albrecht

«Es geht um die 24-Stunden-Gesellschaft»: Tankstellenshop.André Albrecht

Für die Gewerkschaftsvertreter im Parlament war gestern ein guter Tag, zumindest auf den zweiten Blick: Der Nationalrat stimmte den Motionen Lombardi und Abate als Zweitrat zu.

Die beiden Tessiner Ständerate streben unter dem Eindruck des Einkaufstourismus Liberalisierungen im Bereich der Ladenöffnungszeiten an.

Für Unia-Gewerkschafter und Nationalrat Corrado Pardini (SP/BE) hat die geschlossene bürgerliche Mehrheit mit den gestrigen Entscheiden den klaren Beweis erbracht, dass sie eine «Salamitaktik» betreibe: «Die Bürgerlichen haben sich demaskiert.»

Damit sei klar, dass es bei der Referendums-Abstimmung zu den Tankstellenshops um mehr als ein paar Tankstellen gehe: «Es geht um die 24-Stunden-Gesellschaft.»

Ähnlich tönt es bei Ständerat Paul Rechsteiner (SP/SG). Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes nennt das Referendum eine «Schlüsselabstimmung».

Ein Nein bei den Tankstellenshops hätte eine grosse Bedeutung. Vor allem auch, weil die Motion Lombardi eine Gesetzesänderung bedingt, die wohl kaum vor der Referendumsabstimmung in die Räte kommt.

Schwierige Abstimmung

Zur Erinnerung: Das Parlament will, dass Tankstellenshops künftig rund um die Uhr ihr ganzes Sortiment verkaufen können.

Seit einem Bundesgerichtsentscheid von 2010 dürfen sie einen Teil des Sortiments, wie Tiefkühlpizzas oder Milch, zwischen 1 und 5 Uhr morgens nicht mehr verkaufen.

Die «Sonntagsallianz» aus Gewerkschaften, SP und kirchlichen Kreisen hat mit Erfolg das Referendum gegen die Neuerung ergriffen. Gemäss Pardini sollen die Unterschriften Anfang April bei der Bundeskanzlei eingereicht werden.

Die Abstimmung zu den Tankstellenshops wird also zum wichtigen politischen Signal. Für die grossen Detailhändler, die sich für die Motion Lombardi starkmachen, ist dies insofern ärgerlich, weil die Referendumsabstimmung lediglich 23 Tankstellenshops angeht.

Die Betroffenheit der Stimmbürger von der neuen Regelung ist also gering und beschränkt sich auf wenige Kantone. Das macht die Abstimmung unberechenbar.

Dennoch drückt sich Martin Schläpfer, Leiter Wirtschaftspolitik bei der Migros, diplomatisch aus: «Die Abstimmung zu den Tankstellenshops hat für uns keine Priorität. Die Motion Lombardi ist für uns zentral.»

Schläpfer spricht lieber davon, dass es bei der Motion Lombardi um eine «moderate Liberalisierung geht», welche den Sonntag expliziert nicht tangiert – im Gegensatz zur Motion Abate.

Offen kritisiert die Erdölvereinigung, die hinter der gesetzlichen Änderung bei den Tankstellenshops steht, niemand. Nur hinter vorgehaltener Hand heisst es, die Erdölvereinigung, die via Nationalrat Christian Lüscher (FDP/GE) den Vorstoss im Parlament eingebracht hat, habe das Referendumsrisiko unterschätzt. Die Liberalisierungsbefürworter müssen deshalb an unterschiedlichen Fronten kämpfen.

IG Freiheit weist Kritik von sich

Nationalrat Gregor Rutz (SVP/ZH), wie Lüscher im Vorstand der IG Freiheit, wird im Abstimmungskampf gegen das Tankstellenreferendum wohl vorne mitmischen.

Davon, dass die Abstimmung weitere, bedeutendere Liberalisierungsschritte gefährden könnte, will er nichts wissen: «Bei dieser Abstimmung geht es um Bürokratieabbau, nicht um Öffnungszeiten», sagt Rutz.

Und wie bei den Motionen Abate und Lombardi gehe es darum, dass die Unternehmen sich nach den Bedürfnissen der Kunden ausrichten könnten.

Die letzten zehn kantonalen Abstimmungen zu liberalisierten Ladenöffnungszeiten scheiterten alle. Das weiss auch Rutz: «Die Frage ist, ob etwas richtig ist oder falsch und nicht, ob man eine Mehrheit findet.»