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Schweiz
Vergangene Woche empfing die Schweiz eine Delegation aus Russland. Diese aktive Russland-Diplomatie des Parlaments stösst im Parlament selbst auf Kritik.
Der Aufmarsch war ungewöhnlich. Die über 60 Mitglieder der Delegation aus Russland flogen mit einer Spezialmaschine in Zürich ein. Dort standen elf Wagen bereit für die Fahrt nach Bern. Ein Wagen war in Reserve, für den Fall der Fälle.
Es war nicht etwa Präsident Wladimir Putin, der letzte Woche der Schweiz einen Besuch abstattete. Sondern Wjatscheslaw Wolodin, Präsident der russischen Duma, des Parlaments-Unterhauses. Er gilt als enger Vertrauter Putins. Ihm wird das Zitat zugeschrieben: «Ohne Putin kein Russland». Wolodin steht seit 12. Mai 2014 auf der EU-Sanktionsliste, weil er für die Integration der Krim in die Russische Föderation verantwortlich sein soll.
Bei Wolodins Visite handelt es sich um einen Gegenbesuch. 2017 hatte sich eine Nationalratsdelegation unter Leitung von Jürg Stahl in Moskau und St. Petersburg aufgehalten. Diese aktive Russland-Diplomatie des Parlaments stösst im Parlament selbst auf Kritik. «Man rollt russischen Parlamentariern den roten Teppich zu stark aus», rügt SP-Nationalrat Carlo Sommaruga. «Das Parlament unterstützt damit Präsident Putin direkt.» Russland instrumentalisiere die Schweizer Parlamentarier für seine Zwecke. «Es destabilisiert Europa», sagt Sommaruga. «Und Russland steckt hinter diversen Cyberattacken gegen die Schweiz, zum Beispiel gegen die Ruag.» Sommaruga hält es für ein «unverständliches Ungleichgewicht», dass das Parlament mit Russland «engere Kontakte pflegt als mit unseren Nachbarländern».
Das lässt Nationalrats-Präsident Dominique de Buman so nicht stehen. «Es wurde nicht übertrieben», sagt er. Dass die beiden Besuche innerhalb nur eines Jahres organisiert wurden, sei Zufall. Jürg Stahl habe Wolodin eingeladen und dieser habe akzeptiert. Und es sei ein Akt absoluter Höflichkeit, einen Gast zu empfangen, der eine Einladung akzeptiere. «Es entspricht unserer Tradition, dass wir einen Dialog mit allen führen. Das ist eine gute Sache», sagt auch Claudio Fischer, Leiter Internationales der Parlamentsdienste. Er betont: «Mit den Nachbarstaaten macht das Parlament deutlich mehr als mit Russland.»
Man habe in den Gesprächen auch Risiken angesprochen, betont Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP), Präsidentin der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. «Wir thematisierten Menschenrechte und Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der Rolle Russlands im Europarat.» Für Schneider-Schneiter ist es klar, dass die Schweiz den Kontakt auch zu den Grossmächten suchen muss. «Wir brauchen einen Austausch mit den Amerikanern, Chinesen und Russen», sagt sie. Die Aussenwirtschaftspolitik werde «zentraler und globaler». Deshalb sei es zunehmend wichtig, dass das Parlament aussenpolitisch eine aktive Rolle spiele. «Es gehört dazu, sich ein Bild vor Ort zu machen.»
Die CVP-Nationalrätin will während ihres Präsidialjahres die neue Seidenstrasse besuchen. China investiert 900 Milliarden Euro in neue Transportwege nach Europa und Afrika. Die Reise ist im Ratsbüro umstritten. «Doch ich halte daran fest», sagt Schneider-Schneiter. «Die Chinesen haben eine ganz aggressive Investitions- und Handelspolitik.» Diese betreffe die Schweiz stark. «Chinesen investieren stark in der Schweiz, besitzen Immobilien, Hotels und immer mehr Anteile an Unternehmen», sagt sie. Die APK soll auch «Sitzungen zu Chancen und Risiken dieser chinesischen Expansionspolitik durchführen».
Eine grosse Reise plant auch ihr Parteikollege und Präsident der APK des Ständerats, Filippo Lombardi. Sie soll sechs Ständeräte zehn Tage lang nach Singapur, Australien und Neuseeland führen. Das Ratsbüro hat dafür nach kleineren Wirren ein Budget von 100 000 Franken bewilligt.
Zwar sei der Bundesrat verantwortlich für die Aussenpolitik, sagt Claudio Fischer. «Doch es macht Sinn, dass das Parlament seit der Revision der Bundesverfassung von 1999 stärker involviert wird.» Dort heisst es in Artikel 166, die Bundesversammlung beteilige sich an der Gestaltung der Aussenpolitik. Das tut sie, wie neue Zahlen der Parlamentsdienste zeigen. 1,4 Millionen gaben die beiden APK zwischen 2008 und 2017 für Reisen aus (siehe Box).
Millionen Franken haben die aussenpolitischen Kommissionen (APK) von Stände- und Nationalrat in den letzten zehn Jahren für Reisen ausgegeben. Das macht im Schnitt pro Jahr 139 000 Franken. Der Nationalrat beanspruchte 869 000, und der Ständerat 522 000 Franken. Die APK des Nationalrats wandte 2013 mit 132 250 Franken den höchsten Betrag auf, die APK des Ständerats mit 72 357 im vergangenen Jahr. Dieser Betrag wird aber 2018 mit der Reise von Filippo Lombardi nach Australien und Neuseeland getoppt.
Eine offizielle Reise des Parlaments nach Russland steht nicht an, Wolodins Einladung zum Trotz. Er habe ihm an der Medienkonferenz gesagt, das Parlament habe noch andere Einladungen in petto, sagte Nationalratspräsident de Buman.
Klar wurde an der Medienkonferenz aber: Mit Margret Kiener-Nellen (SP) und Nick Gugger (EVP) reisen zwei Parlamentarier als Beobachter zu den russischen Präsidentschaftswahlen vom 18. März. Die Journalisten nahmen es stehend zur Kenntnis. So hatte sich dies die russische Delegation gewünscht. Wollte der Duma-Präsident seine Autorität symbolisieren? «Für diese Antwort», kontert de Buman, «müssen Sie mit Herrn Wolodin telefonieren.»