Der Zürcher Gewerbeverband erhält Konkurrenz: Unternehmen Zukunft – so heisst der kürzlich gegründete neue Verband – soll soziale und ökologische Aspekte deutlich stärker gewichten und der Nachhaltigkeit verpflichtet sein.
Alfred Borter
«Unternehmen Zukunft - Der andere Gewerbeverband» ist gerade erst gestartet. Aber das Ziel ist prätentiös: Als alternative Organisation zum bestehenden Gewerbeverband will man kein Mauerblümchendasein fristen, wie die zur Präsidentin gewählte frühere SP-Kantonsrätin Andrea Kennel erklärt, sondern bald einmal auch eine politische Rolle spielen. Die neue Organisation möchte ein solches Gewicht erhalten wie der Verkehrsclub der Schweiz. «Ein schlagkräftiger Verein» soll entstehen, sagt sie.
Erst am Anfang
Vorerst freilich kocht man noch auf kleinem Feuer: Zur Gründungsversammlung erschienen gerade 17 Interessentinnen und Interessenten. Aber das sieht die Präsidentin nicht negativ: «Wir haben ja auch noch nicht gross Werbung gemacht», gibt sie zu bedenken. Auch eine Website ist noch Zukunftsmusik. Aber aufs Geratewohl hin ist der Verein nicht entstanden, hinter der Gründung stecken bereits gut zwei Jahre Vorbereitung.
Unter den fünf weiteren Mitgliedern des Vorstand - vier Frauen und ein Mann - befinden sich übrigens zwei Kantonsrätinnen, beide der SP zugehörig: Elisabeth Derisiotis (Zollikon), selbstständige Bildungs- und Organisationsberaterin, und Regula Götsch (Kloten), Geschäftsführerin von Bioterra. Der neue Verband soll aber beileibe nicht auf linksstehende Unternehmerinnen und Unternehmer beschränkt sein, willkommen sind auch Mitglieder anderer Parteien und Parteilose.
Kennel selber, Mitglied des Dübendorfer Gemeinderats und Stadtpräsidentschaftskandidatin, ist mit ihrer 2005 gegründeten kleinen, im Informatikbereich tätigen Firma InfoPunkt Kennel GmbH Mitglied des Gewerbevereins von Dübendorf.
Doch findet sie, für die traditionellen Gewerbeverbände stehe die Nachhaltigkeit zu wenig im Mittelpunkt des Interesses. Unternehmen Zukunft soll sich an sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit orientieren sowie den Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen anbieten.
Aus dem Gewerbeverband austreten will Kennel trotzdem nicht - «momentan noch nicht», wie sie präzisiert. Sie betont, eine vielseitige Vernetzung mit anderen KMU-Unternehmen sei wichtig. Aber sie will den Fokus mit dem neuen Verband anders legen. Zunächst freilich sei Aufbauarbeit angesagt, damit man wirklich die Bedeutung erreiche, die man anstrebe.
Gewerbeverband ist unbesorgt
Martin Arnold, Geschäftsführer des kantonalen Gewerbeverbands und SVP-Kantonsrat, ist nicht bange, dass die 18 000 Mitglieder seines Verbands in Massen zum neuen Verband abwandern. Diesen sieht er nicht einfach als unliebsame Konkurrenz, sondern meint: «Ich finde es gut, wenn sich die Mitglieder bewegen und etwas tun.» Es gebe schon heute der SP nahe stehende Gruppierungen, die sich für das Gewerbe einsetzten. «Das ist nichts Neues für uns.»
Bei allem Verständnis für ökologische Überlegungen müsse man immer auch bedenken, dass ein Unternehmen nur florieren könne, wenn auch die Finanzen stimmten: «Man muss immer auch die Löhne und die Lieferanten bezahlen können», sagt Arnold.
Die Zürcher SP-Gemeinderätin Jacqueline Badran, Geschäftsführerin und Mitinhaberin der im Internetbereich tätigen Zeix AG, kann sich gut vorstellen, dass sie zu gegebener Zeit ihrem Verwaltungsrat beantragt, dem Unternehmen Zukunft beizutreten. Aus dem Gewerbeverband auszutreten, kommt für sie aber nicht infrage, auch wenn sie der Meinung ist, der Verband nehme die Interessen des Grosskapitals stärker wahr als die Interessen der KMU-Betriebe, denen zum Beispiel die steigenden Immobilienpreise zusetzten.
Wenn Unternehmen Zukunft hier das Gewicht anders legt, sei das durchaus wünschbar. Hat denn das Unternehmen Zukunft in ihren Augen eine Zukunft? «Ich denke schon», lautet Badrans Antwort.