Das Bundesgericht spricht einen Mann frei, der einfach davon lief, als seine Bekannte vergewaltigt wurde. Der Fall zeigt, wo das Strafrecht überarbeitet werden muss. Und wo nicht.
Das Bundesgericht spricht einen Mann frei, der nicht eingegriffen hat, als sein Kollege eine Frau vergewaltigte. Es wäre naheliegend, das höchste Gericht dafür zu kritisieren und ihm Frauenfeindlichkeit vorzuwerfen. Doch das Bundesgericht – es war übrigens ein reines Frauengremium – hat nur seine Aufgabe erfüllt und das Recht angewandt. Denn es gilt: keine Strafe ohne Gesetz. Dieses muss das Parlament jetzt anpassen. Dafür hätte es gerade die Gelegenheit bei der laufenden Reform des Sexualstrafrechts.
Im Zentrum der politischen Debatte steht stattdessen jedoch ein anderes Problem. Es geht um Betroffene von sexueller Gewalt, die sich nicht körperlich wehrten, weil sie in einen Schockzustand, genannt Freezing, fielen. Die Organisation Amnesty International vermittelt derzeit den Medien den Kontakt zu solchen Frauen und erhebt den Vorwurf, in diesen Fällen sei eine Verurteilung wegen Vergewaltigung heute nicht möglich. Die von der SRF-«Rundschau» oder von Tamedia geschilderten Fälle wurden aber gar nie vor Gericht verhandelt, weil die Frauen nicht oder zu spät Anzeige erstatteten. Es sind also die falschen Beispiele, um eine Gesetzeslücke zu begründen.
Im aktuellen Fall hat die Frau Nein gesagt, aber sich im Schock ebenfalls nicht körperlich gewehrt. Und trotzdem ist jener Mann, der gegen ihren Willen Sex mit ihr hatte, rechtskräftig wegen Vergewaltigung verurteilt. Sein Kollege aber, der die Tat ermöglichte, kommt straffrei davon. Der Fall zeigt, dass die Gesetzeslücke woanders liegt als gedacht.
Damit es gleich klar ist, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung etc. geht gar nicht. Aber manchmal fragt man sich schon, wie naiv frau, wie im erwähnten Fall, sein kann !