Das Covid-19-Gesetz wurde deutlich angenommen. Die Gegner tun gut daran, das Ergebnis zu akzeptieren. Die Pandemiepolitik von Bund und Kantonen muss auch künftig kritisch begleitet werden – aber auf eine konstruktivere Art.
Es war hitzig, sehr hitzig, so hitzig sogar, dass sich eine Debatte entwickelte, ob der Trumpismus die Schweizer Politik erreicht hat. Der Abstimmungskampf über das Covid-19-Gesetz hatte eine hässliche Fratze. Fakten zählten wenig, Emotionen viel. Regierungsräte wurden mit dem Tode bedroht, Vergleiche mit Nazi-Deutschland waren verbreitet, in Telegram- und Whatsappchats machten Wahlmanipulationsvorwürfe die Runde, aus Angst vor Krawallen sperrte die Polizei am Sonntag das Bundeshaus grossräumig ab.
Dieser Abstimmungskampf war in jeder Hinsicht extrem. Politik- und Kommunikationsforscher Marko Ković konstatierte in dieser Zeitung: «Demokratie ist zerbrechlich.»
Wirklich? Was für einen Kontrast liefert das Resultat. Es ist unspektakulär und gerade deswegen spektakulär. Über 60 Prozent sagten Ja zum Covid-Gesetz. Die Zustimmung hat gegenüber der ersten Abstimmung im Juni sogar zugenommen. Kantone wie Nidwalden, Glarus oder Appenzell Ausserrhoden wechselten ins Ja-Lager. Und das, obschon die Vorlage mit der Regelung zum Covid-Zertifikat inhaltlich wesentlich umstrittener war als jene im Frühsommer.
Das klare Ja ist eine deutliche Niederlage für die Massnahmenkritiker, die so taten, als könne man das Virus mit Trycheln verjagen. Ja, das Covid-Zertifikat ist unschön in einer freiheitlichen Gesellschaft. Ja, sobald es nicht mehr nötig ist, muss es abgeschafft werden. Aber es ist allemal besser, als ganze Wirtschaftszweige herunterzufahren. Es gibt Situationen, wo die Einschränkung individueller Freiheitsrechte nötig ist - zugunsten des Gemeinwohls.
Die Gegner tun gut daran, das deutliche Volksverdikt zu akzeptieren. Das heisst nicht, dass die Pandemiepolitik von Bundesrat und Kantonsregierungen nun einfach abgenickt werden soll. Mitnichten. Aber die Debatte muss konstruktiver geführt werden, als im vergangenen Abstimmungskampf. Vor allem ist es nun an den Gegnern ihren Beitrag zu leisten, damit die Spaltung der Gesellschaft, die sie herbeigeredet haben, nicht grösser wird. Auch die SVP, die wählerstärkste Partei des Landes, steht hier in der Verantwortung. Sie hat versucht, die Massnahmenkritiker zu umgarnen. Ob sich diese Strategie auszahlt, ist offener denn je.
Für den Bundesrat ist das zweite Ja zum Covid-Gesetz ein dringend nötiger Vertrauensbeweis. Denn die epidemiologische Lage ist fragil. Wir starten bald ins dritte Pandemiejahr und ein schnelles Ende ist nicht in Sicht. Nachbarländer wie Deutschland und Österreich fahren einen viel härteren Corona-Kurs als die Schweiz. Niemand kann heute aber garantieren, dass sich auch hier die 2G-Debatte nicht schon bald verschärfen wird.
Der Bundesrat verfolgt eine risikoreichere Strategie als die Nachbarländer. Es ist eine Strategie, die viel auf Eigenverantwortung setzt. Stimmbevölkerung, Kantone und Parlament reden und prägen sie mit, setzen Schranken. Diese Verhandlungsdemokratie ist anstrengend, manchen oft zu langsam. Aber der Kurs hat sich bislang in vielerlei Hinsicht ausbezahlt und wird von einer erstaunlich satten, wenn auch leisen Mehrheit mitgetragen.