Kommentar
Beim Feierabendbier denkt man nicht an die Tröpfcheninfektion

Im Freien tragen immer weniger Leute eine Maske, auch dort nicht, wo sie müssten. Als Herdentiere wird unsere Risikoabwägung dabei auch unbewusst beeinflusst.

Sabine Kuster
Sabine Kuster
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Genügt der Abstand auch am Tisch? Gäste vor einem Restaurant in Zürich.

Genügt der Abstand auch am Tisch? Gäste vor einem Restaurant in Zürich.

Bild: Geatan Bally/Keystone

Es ist ein bisschen, wie wenn man sich nach der zweiten Stange fragt: Nehm’ ich noch eine? Auch wenns einen Kater gibt oder es beim Autofahren gefährlich wird? Aktuell fragt sich manch ein Gast auf der Restaurantterrasse aber auch: Setz’ ich die Maske nach dem Essen oder Trinken wieder auf? Auch wenn es das Risiko einer Infektion erhöht?

Die Mehrheit verzichtet. In der Sonne und guter Gesellschaft sowieso. Und die Polizei mahnt meist nur den Wirt, und wenn der tatsächlich wagt, die Gäste zu massregeln, dann kann man die Maske bis zum nächsten Schluck ja wieder aufsetzen. So sieht die aktuelle Umsetzung der Masken-Regel auf Terrassen aus.

Der Bund solle keine Regeln aufstellen, die sowieso nicht umgesetzt würden, wird kritisiert. Denn nicht nur geht man beim befreundeten Gegenüber eher nicht davon aus, dass es infiziert ist; die frische Luft reduziert zudem das Risiko, dass man von Aerosolen aller Gäste umgeben ist. Wir setzen uns draussen tatsächlich einem geringeren Risiko aus.

Dass sich viele über die behördliche Weisung foutieren, hat auch mit unserer Mentalität zu tun: In der Schweiz schätzen wir das Risiko nach wie vor gerne selber ein. Eigenverantwortlich. Aber wir vergessen, dass wir trotzdem Herdentiere sind: Wenn die anderen die Maske nicht aufhaben, ist die Tröpfcheninfektion doch nicht so riskant. Oder?