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Schweiz
Die FDP präsentiert am Freitag ihre neuen Positionen zur Umwelt- und Klimapolitik. Das erstaunt, wollte die Partei doch bis vor wenigen Monaten nichts von einem Kurswechsel wissen. Doch Parteipräsidentin Petra Gössi hat sich geschickt durchgesetzt - mit dem Rückenwind von der Basis. Das ist die Chronik der freisinnigen Klimawende.
Am letzten Tag der Wintersession verwirft der Nationalrat das CO2-Gesetz. Massgeblich verantwortlich für das Scheitern der Vorlage war die FDP. Zusammen mit der SVP hatte sie das Gesetz verwässert. So wurde unter anderem beschlossen, keinen Inlandanteil für die CO2-Reduktion im Gesetz zu verankern, auch eine Flugticketabgabe hatte keine Chance. Nach diesen und weiteren umstrittenen Entscheiden stand die Linke nicht mehr hinter dem Gesetz. «FDP und SVP sabotieren Klimaschutz», schrieb die SP, welche die Vorlage schliesslich ablehnte - wie Grüne, GLP und SVP auch.
Regula Rytz, Parteipräsidentin der Grünen, stichelt in einem Interview mit dem «Tagesanzeiger» gegen die FDP: «Ich bin überzeugt, dass Cassis’ Partei, die FDP, wegen ihrer Blockadepolitik im Klimaschutz bei den Wahlen die Quittung erhält. So unökologisch wie unter Präsidentin Petra Gössi war die FDP noch nie unterwegs», sagt sie.
Satiriker Michael Elsener tritt bei SRF am Sonntagabend die Nachfolge von «Giacobbo/Müller» an. Die Reaktionen auf seine erste Folge fallen gemischt aus. Doch ein Witz Elseners sitzt: Als in der Sendung die Klimapolitik zur Sprache kommt, frotzelt er, das Kürzel FDP stehe für «Fuck de planet». Der Partei sei in der Klimadebatte das Wohl des Planeten egal. Bald schon taucht das Wortspiel auch auf Plakaten bei den Protesten der Klimajugend auf.
Es ist eine spektakuläre Kehrtwende: In einem Interview mit dem «Tagesanzeiger» kündigt FDP-Präsident Petra Gössi an, dass sie ihre Partei ökologischer ausrichten will. Auch beim CO2-Gesetz signalisiert sie Gesprächsbereitschaft. Sie will nun doch Hand bieten für ein CO2-Reduktionsziel im Inland und sogar eine Flugticketabgabe.
Dass ihre Kehrtwende nur der Wahltaktik geschuldet sei, stellt Gössi in Abrede. «Mein Fokus ist langfristig», sagt sie. Sie wolle die FDP im Rahmen des Generationenvertrags neu positionieren und in Fragen des Klima- und des Umweltschutzes auf eine Linie bringen. Um der Basis den Puls zu fühlen, kündigt sie eine grosse Mitgliederbefragung an.
Im Parlament sind an diesem Tag mehrere Vorstösse zur Klimapolitik traktandiert. Es geht unter anderem darum, ob Elektroautos künftig Vorrang bei den Parkplätzen erhalten sollen. Die FDP lehnt alle Vorstösse ab. Die Kritik folgt prompt: «Grosses Kino: Die Klimawende von Petra Gössi ist am zweiten Sessionstag bereits Geschichte. Die FDP lehnt acht von acht umweltrelevanten Vorstössen sang- und klanglos ab», twittert SP-Nationalrat Cédric Wermuth.
Von einer «Grünen Welle» ist nach den Wahlen im Kanton Zürich die Rede. Grüne und Grünliberale erringen einen spektakulären Sieg, beide Parteien gewinnen je 9 Sitze im Kantonsrat hinzu. Grosse Verliererin ist die SVP. Doch auch die FDP muss Verluste hinnehmen, die Grünen jagen ihr gar einen Sitz im Regierungsrat ab. Die grüne Welle erfasst später auch die Kantone Baselland und Luzern.
Die Ergebnisse der Umfrage bei den FDP-Mitgliedern werden veröffentlicht. Demnach wünschen sich 78 Prozent der Teilnehmenden künftig mehr Engagement der Partei im Bereich Klima- und Umweltschutz - und stärken damit Parteipräsidentin Gössi den Rücken. Abgelehnt werden hingegen Technologieverbote.
Konkret: Fast drei Viertel der Teilnehmer zeigen sich einverstanden mit einer Flugticketsteuer. Immerhin noch 58 Prozent befürworten eine neuen CO2-Lenkungsabgabe auf Treibstoffe. Drei von fünf Antwortenden sprechen sich weiter dafür aus, dass die Schweiz ihren Ausstoss von Treibhausgasen vorwiegend mit Massnahmen im Inland kompensiert.
Der «Tagesanzeiger» zitiert aus einem Entwurf des freisinnigen Klimapapiers. Demnach sollen weitreichende Massnahmen diskutiert werden. Neben einer Flugticket- oder einer CO2-Abgabe ist im Papier als «Ultima Ratio» auch von Verboten die Rede, um «die Umwelt vor besonders schädlichem Verhalten» zu schützen. Ein Beispiel: Notfalls soll der Zugang zu Innenstädten für Autofahrer beschränkt werden.
Die FDP lädt die Medien zu einer Pressekonferenz in Langenthal. Dort will sie die Positionen der Partei zu Umwelt- und Klimafragen erläutern, die in den letzten Wochen von verschiedenen Gremien erarbeitet worden sind. Am 22. Juni 2019 werden diese den Delegierten zur Beschlussfassung vorgelegt.