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Schweiz
Der Bundesrat stärkt den Kantonen den Rücken: Einbussen in der Höhe von 150 Millionen Franken in den Staatskassen sind abgewendet. Die Stromkonzerne und die Konsumenten haben das Nachsehen
Das passiert selten genug: Die Stromverbände und die Wirtschaft sind im Bundesrat auf ganzer Linie unterlegen. Dieser hat am Mittwoch entschieden, vorerst nicht am umstrittenen Wasserzins zu rütteln. Weiterhin müssen Kraftwerkbetreiber Kantonen und Gemeinden über 550 Millionen Franken Wasserzinsen pro Jahr für die Nutzung der Wasserkraft zahlen.
Der Bundesrat entschied am Mittwoch, das Wasserzinsmaximum für weitere fünf Jahre bei 110 Franken pro Kilowatt Bruttoleistung zu belassen. Er verzichtete also darauf, es auf 80 Franken zu senken – wie dies noch vor einem Jahr angedacht war. Diese Änderung hätte in den Kantonen zu Ausfällen von rund 150 Millionen Franken geführt.
Die Wirtschaft zeigt sich «enttäuscht», denn die Überarbeitung dieser «über 100 Jahre alten Regelung» ist aus ihrer Sicht dringend notwendig: «Form und Höhe des aktuellen Wasserzinses sind ein bedeutender Kostenfaktor für Stromproduzenten und Konsumenten», schreibt der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse in einer Mitteilung. Die Regelung stehe dem Erhalt der systemrelevanten Wasserkraft im Weg.
Denn seit der Strompreis auf dem europäischen Markt zusammengebrochen ist, leiden auch die hiesigen Produzenten unter den tiefen Preisen. Die für die Energiewende so wichtige Wasserkraft kann auf dem teilliberalisierten Schweizer Markt nur halbwegs bestehen: Der Strom, der frei gehandelt wird, müssen die Produzenten unter den Gestehungskosten verkaufen. Das heisst, sie schreiben Verluste. Nur die gebundenen Kunden, die den Anbieter nicht frei wählen können, zahlen die vollen Produktionskosten. Dazu gehören nebst Privathaushalten auch kleine Unternehmen.
Zwar hat sich der Strommarkt etwas erholt, die Preise sind wieder gestiegen. Das ist aber nicht der Grund für den Entscheid des Bundesrats. Die Vorlage sei «nicht mehrheitsfähig», schreibt er in einer Mitteilung. Nun geschieht dies bei delikaten Vorlagen häufig. In der Regel beginnt dann die Suche nach einem Kompromiss. Doch in diesem Fall heisst «nicht mehrheitsfähig»: Die Gebirgskantone sind hart geblieben und haben sich keinen Schritt bewegt. Anstatt zu frohlocken, wählt die Regierungskonferenz der Gebirgskantone nüchterne Worte: «Es ist sachlich und politisch der einzig richtige Entscheid.» Seit 2016 seien die Marktpreise wieder um 25 Prozent gestiegen und angesichts fast leerer Stauseen konnten im Winter «sehr attraktive» Erlöse erzielt werden.
Gleichzeitig sagt Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB), die Verluste wären für viele Gemeinden und Kantone im Hinblick auf weitere Einnahmeausfälle nicht verkraftbar gewesen. Als Beispiele nennt der Walliser CVP-Nationalrat die Steuervorlage 17 und angedachte Änderungen im nationalen Finanzausgleich. Und: «Im Wallis gibt es Gemeinden, deren Budget zu 90 Prozent von den Wasserzinsen abhängt.»
Zwar entscheidet das Parlament noch über die Vorlage. Dass dieses ein Gesetz gegen den Willen der Gebirgskantone verabschiedet, daran glaubt jedoch niemand.
Die Frage des Wasserzinses ist keine Frage der Parteipolitik, sondern der Herkunft. Das zeigt sich an zwei profilierten Energiepolitikern: Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen kritisiert den Bundesrats-Entscheid scharf: «Dass jene, welche die Energiewende unbedingt wollten, nicht bereit sind, die Wasserkraft zu stärken, das verstehe ich beim besten Willen nicht.» Den Wasserzins müsse man eher früher als später senken.
Der Bündner FDP-Ständerat Martin Schmid lobt hingegen das Vorgehen der Regierung. Es brauche erst ein Gesamtkonzept, das zeige, wie es mit der Strommarktliberalisierung und dem Stromversorgungsgesetz weitergehe, bevor man am Wasserzins herumschraube. Eine solche «ganzheitliche Betrachtung» will auch der Bundesrat. Deshalb sei es «opportun» mit einer «Änderung des Wasserzinsregimes vorerst zuzuwarten.»