Das Sparpaket in der Krankenversicherung kommt in die Parlamentsberatung – aber viele Interessenvertreter stellen sich quer
Ab Donnerstag gilt es ernst. In der nach den Wahlen neu zusammengesetzten Gesundheitskommission (SGK) des Nationalrats geht es erstmals ans Eingemachte. Traktandiert ist eine Änderung des Krankenversicherungsgesetzes: «Massnahmen zur Kostendämpfung – Paket 1».
Angehört werden diverse Akteure aus dem Gesundheitswesen. Aber die wenigsten von ihnen wollen wirklich Kosten dämpfen.
Es wird sich zeigen, auf welche Seite sich die SGK schlägt: Auf die Seite der Versicherten, die unter steigenden Prämien ächzen. Oder auf Seite der Leistungserbringer wie Ärzte, Spitäler oder Pharma, die natürlich möglichst viel verdienen möchten.
Der Bundesrat unter Federführung von Innenminister Alain Berset (SP) schlägt für die Grundversicherung neun Massnahmen für Einsparungen vor. Bereits in der Vernehmlassung zeigte sich, dass Berset einen schweren Stand haben wird. «Die Leistungserbringer kritisierten den einseitigen Fokus der Vorlage auf die Kosten und gaben mögliche negative Konsequenzen auf die Versorgungsqualität und -sicherheit zu bedenken», befand der Bundesrat.
Strittig sind etwa Massnahmen, mit denen ein «ungerechtfertigtes Mengen- und Kostenwachstum» korrigiert werden soll. Laut Bundesrat ist «eine knappe Mehrheit» der Akteure dagegen. Auffallend ist, dass der grössere der Krankenkassenverbände, Santésuisse, die Massnahmen nicht nur unterstützt, sondern geradezu fordert. Der kleinere Verband, Curafutura, dagegen ist skeptisch.
Die Kritiker sagten, hier würden «Globalbudgets durch die Hintertür» eingeführt. Für Befürworter, zu denen Kantone und politische Parteien gehören, sind sie «ein wichtiges Element zur Kostendämmung».
Wenn‘s konkret ums Sparen geht, sind bei einigen Akteuren Ausreden hoch im Kurs. Wie gross der Widerstand ist, zeigt sich auch am neuen Referenzpreissystem bei Arzneimitteln. Bis zu 500 Millionen pro Jahr will der Bundesrat bei Medikamenten sparen, deren Patentschutz abgelaufen ist. Diese Generika sind bei uns immer noch doppelt so teuer wie im Ausland. Hauptkritiker der Kosteneindämmung sind Pharmaverbände, Leistungserbringer, Kantone und Wirtschaftsverbände. Die Versicherer, die Parteien mit Ausnahme von SVP und BDP, Patienten- und Konsumentenorganisationen dagegen waren in der Vernehmlassung im Grundsatz dafür.
Aber nun lehnt auch der Kassenverband Curafutura das Bundesrats-Modell ab. «Curafutura spricht sich klar für ein wettbewerbliches Modell aus, das den Preiswettbewerb zwischen den Zulassungsinhabern von austauschbaren Arzneimitteln spielen lässt», sagt Sprecher Ralph Kreuzer. Die Versicherung solle jeweils höchstens den Referenzpreis vergüten, der nach einem Bieterverfahren festgelegt wurde. «Das vom Bundesrat vorgeschlagene Modell mit Preisabstand lehnen wir jedoch ab», sagt Kreuzer, da eine «staatliche Preisfixierung fortgeführt» werde, die sich nicht bewährt habe.
Curafutura (CSS, Helsana, KPT, Sanitas) steht dem Sparpaket sehr kritisch gegenüber. Die meisten Vorschläge lehnt der von FDP-Ständerat Josef Dittli (UR) geleitete Verband pauschal oder bei der Ausgestaltung ab.
Santésuisse, der von alt Nationalrat Heinz Brand (SVP) präsidierte Verband, unterstützt dagegen im Grundsatz alle Massnahmen. Sprecher Matthias Müller begründet den Support so: «Die grosse Mehrheit von Öffentlichkeit und Politik fordert seit Jahren griffige Massnahmen gegen die stetig steigenden Krankenkassenprämien. Endlich liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Dank diesen lassen sich überhöhte Kosten und überflüssige Leistungen zum Teil eindämmen.» Mit Blick «auf die geplagten Prämienzahler ist jetzt nicht die Zeit, das Haar in der Suppe zu suchen», sagt Müller.
Zwar sei auch Santésuisse für möglichst viel Markt und Freiheit, «nur hat das Kostensparen auf freiwilliger Basis bis heute leider nicht funktioniert», sagt Müller. «Damit überhöhte Preise, beispielsweise bei den Generika, ins Rutschen geraten, braucht es den Gesetzgeber– schliesslich erhalten einzelne Interessengruppen weniger Geld».
Showdown ums Sparen im Gesundheitswesen. Die SGK des Nationalrats, die jetzt am Zug ist, wird von CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (AG) präsidiert. Vize ist Albert Rösti (SVP, BE). Spitäler, Ärzte und Co. sind dabei recht gut aufgestellt: Acht der 25 Kommissionsmitglieder haben derzeit Mandate von Leistungserbringern. Erstaunlich wenig, nur noch zwei, vertreten derzeit Krankenkassen: Ruth Humbel ist Verwaltungsrätin der Concordia, Lorenz Hess (BDP, BE) Präsident der Visana. Beides sind Kassen, die Santésuisse angehören.
Mit dem ersten von zwei Paketen zur Kostendämpfung will der Bundesrat mehrere hundert Millionen jährlich einsparen. Dies sei aber nur möglich, wenn die Akteure die Massnahmen mittragen, warnte der Bundesrat. Im Frühling befasst sich der Nationalrat als Erstrat mit der Vorlage.