Kanton Solothurn

Regierungsrat Peter Gomm hat die Schliessung der Aussenstation Bleichenberg der Strafanstalt Schöngrün angeordnet. Was im «Lotterknast der Nation» passiert ist, erschüttert auch ihn: Solches dürfe «ganz klar nicht passieren».

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Regierungsrat Peter Gomm wurde erst letzte Woche über den Knast-Skandal informiert

Regierungsrat Peter Gomm wurde erst letzte Woche über den Knast-Skandal informiert

Peter Gomm: Das «Schöngrün» ist eine Anstalt für den so genannt offenen Vollzug. Es hat nichts mit irgendwelchen politischen Konstellationen zu tun, wie dieser Vollzug durchgeführt wird. Wir sind innerhalb des Strafvollzugskonkordates Nordwestschweiz so organisiert, dass das Oberschöngrün einen Teil dieser Plätze sicherzustellen hat.

Sie haben nicht den Eindruck, dass man hier einen besonders «grosszügigen» Strafvollzug anbietet?

Gomm: Das eine ist der Auftrag dieser Strafanstalt: Sie kommt an sich für Ersttäter infrage und hier steht natürlich der Gedanke mit – und ich betone: mit – im Vordergrund, dass man die Insassen dafür fit machen kann, in der Gesellschaft funktionieren zu können. Das heisst aber nicht, dass anderseits die Sicherheit rundum zu vernachlässigen ist. Weil man aber am Tag mit diesen Leuten arbeiten geht, ist sicher die Gefahr von «Löchern» grösser, als bei einem festen Zaun einer geschlossenen Anstalt.

Bereits wird von einzelnen Politikern der Kopf von Anstaltsdirektor Peter Fäh gefordert. Bald könnte es auch der Ihre sein?

Gomm: Aus meiner Sicht hat die Anstaltsleitung letzte Woche die richtige Sofortmassnahme ergriffen: Sie hat die Aussenzellen geschlossen und die Insassen nachts in den Haupttrakt verlegt. Von Seiten des Departements wird nun genau abgeklärt, wie es um die Sicherheitsvorkehrungen auf dem ganzen Areal steht – und ebenso, ob das Führungsverhalten des Direktors bei der Erfüllung seiner Aufgaben stimmt. Im Anschluss daran muss man weitere Massnahmen prüfen, wenn dies angezeigt ist.

Hand aufs Herz: Das, was in der «Schöngrün»-Aussenstation Bleichenberg gelaufen ist, ist nicht wirklich «normal»?

Gomm: Nein. Es darf ganz klar nicht passieren, dass ein 14-jähriges Mädchen Kontakt zu einem Strafgefangenen findet – ob dies nun über den Tag oder über Nacht ist – und dann auch noch Zugang zu den Räumlichkeiten hat. So etwas ist unter allen Umständen zu verhindern.

Im Bleichenberg gabs offenbar aber 365 Nächte der offenen Türe für die Insassen; Drogenkonsum und Besuche durch Prostituierte ...

Gomm: Diese Vorwürfe sind Gegenstand der Strafuntersuchung. Der Staatsanwalt wird Abklärungen treffen, was alles an strafbarem Verhalten vorliegen könnte. Ich kann dazu im Moment nichts sagen.

Wir haken nach: Auch Ihr Kopf könnte zur Zielscheibe werden ...

Gomm: Als Politiker ist klar, dass man im eigenen Laden Ordnung halten und dass man, wenn etwas falsch läuft, handeln und die nötigen Konsequenzen treffen muss. Was – über die eingeleiteten Sofortmassnahmen hinaus – zu machen sein wird, das wird sich aufgrund der Ergebnisse der Administrativ-Untersuchung zeigen.

Probleme mit Drogen und Ausbrüchen gabs aber schon mehrfach ...

Gomm: Der offene Strafvollzug ist nun einmal viel anfälliger dafür, dass Aussenkontakte stattfinden können – deshalb gibt es auch mehr Vorfälle. Letztlich ist es eine politische Frage: Steht man hinter dem offenen Vollzug für Ersttäter und versucht diese zu resozialisieren – oder führt man für alle den geschlossenen Vollzug ein? Nach meiner Auffassung macht der offene Vollzug durchaus Sinn – aber sicher anders als im Bleichenberg.

Die Aussenstation Bleichenberg wurde geschlossen. Bleibt das so – und wie lange?

Gomm: Die Aussenstation bleibt zu. Sicher so lange ich hier im Amt bin.

Wann haben Sie von den aktuellen Vorfällen erfahren?

Gomm: Ich bin letzte Woche orientiert worden und im Anschluss daran wurde dann auch die Öffentlichkeit informiert.

Sie wurden nicht früher ins Bild gesetzt?

Gomm: Nein. Leider nicht.

Was sagen Sie dazu?

Gomm: Dazu kann ich im Momentnichts sagen.

Am 5. März fand man im Bleichenberg Heroin und machte Urin-Tests bei Insassen. Erst am 12. März fand eine Gross-Razzia statt, die das ganze Ausmass des Skandals zeigte. Könnte es sein, dass damit bewusst bis nach den Regierungsratswahlen vom 8. März zugewartet wurde?

Gomm: Dies wäre eine grosse Fehlinterpretation.

Was ist denn – nach Ihrem heutigen Wissensstand – faul im Bleichenberg: Ist die «Schöngrün»-Führung schlecht, liegts am Personalmangel oder am «falschen» Personal? Die Rede ist von einem früheren Mitarbeiter, der bei der Schlösser-Manipulation geholfen haben soll ...

Gomm: Zu Letzterem kann ich nichts sagen, das ist Gegenstand des laufenden Verfahrens. Aber es sieht so aus, dass professionelle Hilfe geleistet worden ist. Grundsätzlich glaube ich, dass es nicht primär am Personal oder dessen Qualifikation liegt. Man muss sehen, dass man mit relativ knappem finanziellen Korsett und im Hinblick auf den geplanten Neubau im Schachen Deitingen nicht mehr sehr viel Geld ins «Schöngrün» investiert hat. Selbst wenn sich zeigt, dass gewisse Sicherheitsbedingungen im «Schöngrün» verbessert werden müssen, wird sich die Frage der Verhältnismässigkeit stellen, Das Neubauprojekt ist vom Kantonsrat entschieden worden, und ich erwarte nun auch von den Politikern die nötige Unterstützung bei der Umsetzung.

«Die Behörden» hätten sie im Stich gelassen, klagt die Familie des 14-jährigen Mädchens. Haben Sie Kenntnis von einem Hilfsgesuch?

Gomm: Nein, so etwas ist mir nicht bekannt. Wir wären selbstverständlich bereit, gegebenenfalls nötige Unterstützung zu gewähren. (mz/ums/mz/fhe)