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Guatemala, Nigeria und Sambia: Drei Beispiele zeigen, dass Gerichtsprozesse in Entwicklungsländern möglich sind. Auch wenn die Hürden dafür hoch sind. Vor allem in gescheiterten Staaten.
Die Justiz vor Ort funktioniere. Schweizer Konzerne müssten in Entwicklungsländern geradestehen für Verfehlungen von Tochtergesellschaften. Das sagt Bundesrätin Karin Keller-Sutter als Argument gegen die Konzerninitiative. Nur: Wie einfach können Betroffene klagen gegen Verletzungen von Menschenrechten und Zerstörungen der Umwelt? Drei Beispiele.
Wer die Firma an der Baarerstrasse 8 in Zug anruft, klingelt ins Leere. Ein Augenschein vor Ort zeigt: Die Solway Investment Group hat im sechsten Stock eines Bürogebäudes ein kleines Office gemietet. Es liegt an einer Ladenpassage und ist Hauptsitz der Bergbaugruppe. Sie ist weltweit grösster Nickelproduzent in Privatbesitz. Gegründet wurde sie vom russischen Milliardär Alexander Bronstein. Die Holding befindet sich auf Malta.
2011 kaufte Solway von der kanadischen Firma Hudbay das Fénix-Projekt am Izabal-See in Guatemala. Es besteht aus einer Nickelmine, einem neuen Kraftwerk und einer Metallverarbeitungsanlage. Solway erwarb ein belastetes Erbe. Über Jahre hinweg war es zu Protesten gegen die Mine gekommen. Sie gingen weiter, unter anderem wegen rot verfärbten Seewassers.
Anwohner zogen das Fénix-Minenprojekt vor Gericht. Und das Verfassungsgericht von Guatemala hielt am 18. Juni 2020 fest, das Ministerium für Bergbau habe die Lizenz für die Mine zu Unrecht gewährt. Unter anderem war keine Konsultation der indigenen Bevölkerung nach ILO-Konvention 169 durchgeführt worden. Das Verfassungsgericht ordnete deshalb die definitive Suspendierung der Konzession an – bis die Konsultation stattgefunden hat. Dafür hat Solway nun 18 Monate Zeit.
Noch baut Solway weiter Nickel ab. «Das Gerichtsurteil ist noch nicht in Kraft, da das Ministerium für Bergbau Klarstellungen eingeholt hat», schreibt Solway per Mail. «Sobald unsere Lizenz ausgesetzt wird, bemühen wir uns, die Entlassungen auf ein Minimum zu beschränken.» Solway betont, die Tochterfirmen stünden «im kontinuierlichen Dialog» mit den indigenen Gemeinschaften, nach ILO-Konvention 169. Und es sei ein Beschwerdemechanismus für Klagen eingerichtet worden. Zudem seien wegen des roten Seewassers diverse Massnahmen ergriffen worden.
Klagen zu Fénix sind seit 2013 auch in Kanada hängig. Sie betreffen Solways Vorgängerin Hudbay. Darin geht es um die Vergewaltigung von elf indigenen Frauen (2007) und zwei Morde (2009).
In Ewekoro, im Südwesten von Nigeria, liegt der Zementstaub überall. «Wir essen Zement, wir trinken Zement», sagt eine Anwohnerin im Film «Der Konzern-Report», den die Initianten gedreht haben. Dort liegt ein Zementwerk, das seit 2015 Lafarge-Holcim gehört.
Die Dorfgemeinschaft hatte 2017 wegen Umweltzerstörung gegen Lafarge Africa geklagt, die Tochtergesellschaft von Lafarge-Holcim. Doch die Klage wurde abgewiesen. Zunächst schien die Richterin interessiert an «substanzieller Gerechtigkeit», sagt Anwalt Idris Faro zu CH Media. Davon habe der Konzern Wind bekommen. «Wir realisierten, dass er Schritte unternommen hat», sagt Faro.
Die Richterin sei versetzt worden, der neue Richter habe das Verfahren möglichst schnell beenden wollen. Ewekoro zeigt, dass sich Holcim viele Altlasten einhandelte, als es 2015 mit Lafarge fusionierte. Der französische Zementhersteller war in Schwellenmärkten engagiert. Heute hat Lafarge-Holcim mit Sitz in Rapperswil (SG) 72'000 Angestellte und 2300 Werke in 75 Ländern.
«Lafarge machte Kickback-Zahlungen», sagt Anwalt Faro. Damit meint er heikle Provisionen. «Deshalb ging die Umweltverschmutzung in Ewekoro jahrzehntelang weiter, ohne dass die Regierung mit der Wimper gezuckt hätte.» Für ihn ist klar: «Lafarge muss die Gemeinde für die sechzig Jahre Verschmutzung entschädigen.» Viele hätten Leben oder Job verloren.
Lafarge-Holcim dementiert, Schritte unternommen zu haben, um die Richterin auszuwechseln. «Wir respektieren die Souveränität von Staaten sowie Regierungs- und Justizbehörden auf allen Ebenen», sagt Sprecherin Eva Mairinger.
Im Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung habe der Konzern seit 2018 «erheblich in modernste Gasaufbereitungssysteme, neue Ofenfilter sowie Filterschläuche der Entstaubungsanlage investiert», sagt sie. «So konnten wir die Staubemissionen halbieren.» Zudem habe der Konzern im September in Ewekoro eine umfangreiche Bewertung der Auswirkungen der Anlagen auf die Menschenrechte durchgeführt und mit über 170 Stakeholdern gesprochen, auch direkten Anwohnern.
Die sambische Politikerin Beatrice Mithi verstarb am 31. Dezember 2013. Der Wind hatte die Abgase des Kupferschmelzwerks in die Stadt Mufulira getragen. Mithi erlitt einen Atemstillstand und ihr Herz versagte. Die Obduktion ergab als Todesursache «Einatmen von toxischen Gasen». Witwer Geoffrey Mithi klagte 2014 gegen die Mopani Copper Mines, eine Tochterfirma von Glencore.
Die Initiative verlangt, dass Konzerne für die Verletzung von Umweltstandards und Menschenrechten im Ausland haften – auch für Tochtergesellschaften und wirtschaftlich kontrollierte Zulieferer. Geschädigte könnten in der Schweiz klagen. Zudem sollen Firmen dazu verpflichtet werden, für die gesamte Lieferkette Sorgfaltsprüfungen durchzuführen. Bei einem Nein tritt der Gegenvorschlag in Kraft. Er beinhaltet Sorgfaltspflichten in den Bereichen Konfliktmineralien und Kinderarbeit und übernimmt die EU-Berichterstattungsrichtlinie. (chm)
Im August 2020 verurteilte der Oberste Gerichtshof Sambias Mopani. Er sprach von «überwältigenden Beweisen» dafür, dass Glencores Mopani-Mine «über Jahre die Schwefeldioxid-Grenzwerte der Behörden missachtet» habe. Mopani muss der Familie Mithi eine Entschädigung von 47 000 Franken zahlen. Das Urteil gilt als Präzedenzfall für weitere Klagen.
Glencore produziert Rohstoffe, hat 150 Industriestandorte in 35 Ländern und beschäftigt 160 000 Angestellte. Sein Hauptsitz ist in Baar (ZG). Glencore übernahm die Moopani Copper Mines im Jahr 2000 vom sambischen Staat. Sie gehört Glencore heute zu 73 Prozent. Den Rest hält der Staat Sambia.
Die Anlage habe 60 Jahre lang «ungehindert Schwefeldioxid ausgestossen», bevor Glencore sie 2000 übernommen habe, schreibt der Konzern. «Seither hat Mopani wesentliche operative Verbesserungen vorgenommen.» Glencore habe total 4,4 Milliarden Dollar in Mopani investiert. Glencore hat inzwischen für sich als Konzern ein neues Menschenrechtsrahmenwerk entwickelt, das demnächst in die Testphase geht.