Ende Schuljahr hat Kaiserstuhl die Bezirksschule verloren; praktisch gleichzeitig verabschiedete sich die einzige Bank aus dem Ort und in wenigen Monaten wird die Gemeindeverwaltung nach Rekingen zügeln. Für Stadtammann Fritz Tauer kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.
Angelo Zambelli
Auf die Frage, ob ihm der Exodus aus seinem Städtchen nicht Sorgen bereite, reagiert Fritz Tauer gelassen: «Veränderungen hat es immer gegeben und es wird sie auch künftig geben. Es kommt nur darauf an, wie mans es betrachtet - ist das Glas halbleer oder ist es halbvoll? - und wie man auf die Gegebenheiten reagiert. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen und das Beste daraus machen.»
Kaiserstuhl liegt im nordöstlichsten Zipfel des Kantons. Die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaute Siedlung am Rhein steht unter dem Schutz der Eidgenossenschaft. Sehenswürdigkeiten sind die schmucke Altstadt, der Gottfried-Keller-Dichterweg, der grenzüberschreitende Skulpturenweg, die Kirche St. Katharina mit der barocken Kanzel, das feudale Marschall-Mayenfisch-Haus sowie der Obere Turm als Rest der ehemaligen Stadtbefestigung. Kaiserstuhl bietet attraktiven Wohnraum und zählt aktuell rund 400 Einwohner. (Za)
«Jammern bringt nichts»
Natürlich wäre ihm lieber gewesen, wenn die Bezirksschule hätte fortgeführt werden können, räumt Tauer ein, «und natürlich wäre ich nicht unglücklich gewesen, wenn die einzige Bank im Ort geblieben wäre. Deswegen zu jammern und den Kopf in den Sand zu stecken, nützt nichts. Was wir brauchen, sind der Glaube an unsere Stärken und viel Eigeninitiative.» Als leuchtendes Beispiel nennt der Ammann die Geschichte des Städtliladens: «Vor vier Jahren standen wir plötzlich ohne Einkaufsmöglichkeit da. Inzwischen betreibt eine Kaiserstuhlerin ein Lebensmittelgeschäft, das laufend ausgebaut werden muss und zu einem beliebten Treffpunkt geworden ist. Man sieht: Wo eine Türe zugeht, geht eine andere auf.»
Betreffend Gemeindeverwaltung räumt Tauer ein, dass mit dem Beitritt zum Gemeindeverband «Verwaltung 2000» und dem Wechsel der Kanzlei nach Rekingen ein Stück Service public verloren geht: «Auf der anderen Seite profitieren wir davon, dass tiefere Kosten anfallen und die Region als Einheit gestärkt wird.» Veränderungen könnten auch dadurch bewältigt werden, dass man sich der eigenen Stärken bewusst werde und diese auch nütze, sagt Tauer. «Wenn ich mir vor Augen führe, was wir alles haben - eine hohe Wohn- und Lebensqualität, tolle kulturelle Veranstaltungen, die Nähe zur Stadt Zürich, gute Verkehrsverbindungen - dann kann mir nicht bange sein.»
Es liege jedoch nicht am Stadtrat allein, diese Qualitäten zu erhalten, mahnt Tauer. In erster Linie sei die Bevölkerung gefordert, den jüngsten Negativerlebnissen zum Trotz Eigeninitiative zu entwickeln und optimistisch in die Zukunft zu blicken.