Bei den Aargauer Grünen gab es immer wieder Diskussionen und Auseinandersetzungen um Nationalräte – zuletzt bei Geri Müller, früher bei Hanspeter Thür.
Jonas Fricker hat mit seinem Rücktritt, der unter Druck der eigenen Partei zustande kam, am Wochenende viele überrascht. Für die Aargauer Grünen war die Situation nach Frickers Auschwitz-Vergleich schwierig – doch völlig neu sind Schwierigkeiten mit ihren Nationalräten für die Kantonalpartei nicht.
Schon früher gab es immer wieder kontroverse Diskussionen und parteiinterne Auseinandersetzungen. Diese drehten sich unter anderem um die Länge der Amtszeit, die Frauenfrage, ein Doppelmandat, den Zeitpunkt eines Rücktritts oder den Platz auf der Wahlliste.
Gegründet wurden die Grünen im Aargau im Sommer 1983 – und schon vier Jahre später war die junge Partei erstmals im Nationalrat vertreten. Hanspeter Thür wurde ins Bundeshaus gewählt, war danach von 1991 bis 1993 Fraktionspräsident und von 1995 bis 1997 Präsident der Grünen Schweiz. Thür liess seine Kantonalpartei also jubeln – doch beim Abgang aus Bundesbern gab es Misstöne. So trat der erste Grünen-Nationalrat aus dem Aargau zwar vor dem Ende seiner dritten Amtszeit zurück.
Katrin Kuhn rutschte nach, doch ihr blieb nur ein halbes Jahr, um sich zu profilieren – zu wenig Zeit, wie sich zeigen sollte: Kuhn wurde abgewählt, die Grünen verloren ihren Sitz in Bern. Thür sagte später, er wäre 1999 gerne nochmals angetreten, um dann nach zwei Jahren seinen Sitz einer Nachfolgerin zu überlassen – die Partei habe dies aber nicht gewollt.
So mussten die Grünen vier Jahre warten, ehe sie mit Geri Müller wieder in den Nationalrat einzogen. Müller wurde zweimal wiedergewählt, er sass von 2003 bis 2015 im Bundeshaus – doch auch er war nicht unumstritten. Immer wieder geriet der Badener, der zum linken Flügel der Partei gehört, wegen Nähe zur palästinensischen Hamas und Kritik an Israel, selber unter Druck. Abgesehen von den politischen Standpunkten, gab in den letzten Jahren die Frage des Doppelmandats zu reden.
Nach seiner Wahl zum vollamtlichen Stadtammann von Baden im Jahr 2013 wurden Stimmen laut, die Müller nahelegten, er solle vorzeitig aus dem Nationalrat zurücktreten. Im August 2014 forderte Jonas Fricker, damals noch Grünen-Aargau-Präsident, seinen Parteikollegen im TalkTäglich bei Tele M1 zum Rücktritt aus dem Parlament auf.
Brisant war dies darum, weil Fricker selber davon profitiert hätte und ins Bundeshaus nachgerutscht wäre. Er schaffte es bei den Wahlen 2011 zwar nur auf den zweiten Ersatzplatz hinter Patricia Schreiber. Die ehemalige Grossratspräsidentin zog sich aber 2014 aus der Politik zurück, hätte also darauf verzichtet, Müllers Sitz einzunehmen. Dieser entschied sich, die Amtszeit im Nationalrat zu beenden, trat 2015 aber nicht mehr zu den Wahlen an.
Abgesehen von der kurzen Zeit mit Katrin Kuhn, stellten die Aargauer Grünen, für die Gleichberechtigung ein wichtiges Thema ist, bisher keine Frau im Nationalrat. Dies änderte sich auch 2015 nicht, als Jonas Fricker die Wahl schaffte. Der Badener erzielte gut 2500 Stimmen mehr als Grossrätin Irène Kälin aus Lenzburg.
Zuvor hatten die Grünen an einer Mitgliederversammlung praktisch den ganzen Abend der Frage gewidmet, wer auf Listenplatz 1 gesetzt werden soll. Schliesslich machte Kälin, die auch für den Ständerat kandidierte, ganz knapp das Rennen. Die Versammlung beschloss mit 23 zu 22 Stimmen, die Vertreterin des linken Parteiflügels auf den ersten Platz zu setzen.
Insbesondere die Frauen hätten sich stark für Kälin eingesetzt, kommentierte Fricker. Nachträglich hat sich dies nun ausbezahlt, künftig sitzt mit Kälin eine Frau für die Aargauer Grünen im Bundeshaus.