«Ruhn! Sie sind aus der Dienstpflicht entlassen», hiess es am Freitagmittag für 113 Militärangehörige der Jahrgänge 73 bis 79 aus dem Säuliamt. Während die übrigen Militärutensilien mit Freude abgegeben wurden, behielt jeder Vierte seine Ordonnanzwaffe.
Von Martin Platter
Am Tag, an dem der Bundesrat eine weitere Verschärfung des Waffengesetztes ankündigte, trennten sich rund drei Viertel der Ausgemusterten freiwillig von ihrer Dienstwaffe. Jeder Vierte behielt sie jedoch - das letzte Mal auf unbürokratische Weise. Ab kommendem Jahr gilt nicht mehr die Selbstdeklaration, dann müssen die austretenden Militärdienstpflichtigen einen Waffenerwerbsschein ausfüllen, soll ihre Ordonnanzwaffe in Privatbesitz übergehen.
Alle Armeeangehörigen können ab kommendem Jahr ihre Waffe während der dienstfreien Zeit zudem kostenlos und unbürokratisch im Zeughaus abgeben. Man darf gespannt sein, wie viele Wehrmänner und -frauen diese Möglichkeit nutzen. In Genf dürfen die Dienstwaffen bereits seit 2008 hinterlegt werden. Bisher haben den Service aber nur 25 von 1000 Militärangehörigen in Anspruch genommen.
Vielfältige Gründe
Die Gründe sind vielfältig, weshalb eine Ordonnanzwaffe nach Beendigung der Dienstpflicht behalten wird - oder eben nicht - wie eine anonyme, nicht repräsentative Umfrage unter den Abtretenden gezeigt hat. Bei den 481 Männern und einer Frau (113 aus dem Säuliamt, 369 aus dem Bezirk Bülach) gingen 99 Sturmgewehre 90, 8 Sturmgewehre 57 und 19 Pistolen in Privatbesitz über. «Letztes Jahr haben 18 Prozent der Wehrmänner ihre Bewaffnung behalten. Heuer sind es rund 25 Prozent», stellte Marcel Cathomas fest, Chef «Persönliche Ausrüstung Ostschweiz» des Zeughaus` Hinwil, der mit seinem Detachement die Abrüstung durchführte. Dass wieder mehr Militärwaffen übernommen werden, entspricht nicht der Erfahrung, die er in den letzten Monaten gemacht hatte: «Wegen der Waffenmeldepflicht geben bei uns im Zeughaus täglich fünf bis sieben vorwiegend ältere Leute ihre Schiess- und Sammlerobjekte ab, denn wir nehmen nicht nur Dienstwaffen entgegen.»
«Keine weitere Verwendung», «Angst vor Diebstahl» oder «Schiesspflicht nicht erfüllt», sind die am meisten gehörten Gründe fürs Abgeben (müssen). Und: «Ich habe Frau und Kind zuhause, mit denen ich meinen Spass habe.»
Die Lust aufs Schiessen
«Feldschiessen», «Wieder einmal Lust auf Schiessen», «Mitgliedschaft im Schiessverein», «Angehörige oder Bekannte in einem Schiessverein», sind die meistgehörten Gründe fürs Behalten der persönlichen Waffe. Es wurde aber auch differenzierter argumentiert: «Meine Kunden in Amerika und Asien sind jeweils total beeindruckt von den Gepflogenheiten der Schweizer Milizarmee. Vor allem der persönliche Waffenbesitz löst viel Anerkennung aus», sagte ein Unternehmensberater. «Ich musste die Waffe im Dienst so viel herumschleppen, dass eine persönliche Beziehung zu ihr entstanden ist, die ich nicht lösen möchte», wurde sinngemäss mehrmals als Grund genannt. «Immer mehr Lumpenpack in der Schweiz», sagte tatsächlich jemand mit italienischen Wurzeln, der zuerst nicht antworten wollte, vollen Ernstes.
«Schmerzensgeld für Strapazen»
Einige wollen ihre Waffe später verkaufen. Für gut erhaltene Occasions-Sturmgewehre 90 zahlen Sportschützen bis 1000 Franken. Das ist wenig. Ein neues kostet je nach Zielvorrichtung zwischen 3500 und 4000 Franken. Der Schwachpunkt sind die Läufe der filigranen Kaliber-5,56-Millimeter-Gewehre, die beim Schiessen mit der Zeit ausbrennen, was der Zielgenauigkeit abträglich ist. Der Ersatz kostet alleine 800 Franken. Weniger heikel, aber dafür schwerer und weniger präzise sind die 57er Modelle mit Kaliber 7,5 Millimeter. Für sie wird je nach Zustand 100 bis 400 Franken bezahlt.
Bevor die Militärwaffen jedoch in den persönlichen Besitz übergehen, wird bei den Gewehren das Serienfeuer gesperrt und alle Waffen mit einem «P» markiert. 30 Franken kostet das bei einer Pistole, 60 fürs Sturmgewehr 57 und 100 fürs 90er Modell. Dennoch bleibt ein erklecklicher Gewinn, der schalkhaft auch als «kleines Schmerzensgeld, für die ertragenen Strapazen während der Dienstzeit» bezeichnet wurde.