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Schweiz
Der Fall Andreas Stettbacher sorgt in Guy Parmelins Verteidigungsdepartement für Ärger und dicke Luft. Viele sehen eine Intrige unter Divisionären als Auslöser.
Es soll eine Blitzaktion gewesen sein, an diesem Freitag, dem Tag nach der Kommandoübergabe von Armeechef André Blattmann an Philippe Rebord. Demnach eilte Divisionär Thomas Kaiser, Chef der Logistikbasis der Armee, zu Verteidigungsminister Guy Parmelin. Mit Material über einen anderen Divisionär. Über Andreas Stettbacher, den Oberfeldarzt, der ihm organisatorisch unterstellt ist.
Was an jenem Freitag weiter passierte, ist bekannt: Guy Parmelin hat noch am selben Tag Strafanzeige gegen Andreas Stettbacher bei der Bundesanwaltschaft erhoben. Dies gemäss Verteidigungsdepartement (VBS) auf Anraten des Führungsstabes der Armee. Zwei-Sterne-General Stettbacher ist seither freigestellt, ihm werden Vermögensdelikte und Verstösse gegen Amts- und Berufspflichten vorgeworfen.
Seither rumort es gewaltig im VBS. Die Stimmung ist gereizt, die Luft ist dick. Von Intrigen, Abrechnungen, Diadochenkämpfen – sprich: Konkurrenzkämpfen um Nachfolgen in bedeutende Ämter –, von Neid und Missgunst ist die Rede. Es melden sich immer mehr Leute zu Wort, die sagen, Andreas Stettbacher habe sich nichts Schwerwiegendes zuschulden kommen lassen. Das Vorgehen der Armeeführung sei völlig unverhältnismässig. «Ein guter Mann ist fahrlässig zerstört worden», sagt ein Insider vorwurfsvoll.
Wie die «Nordwestschweiz» bereits letzte Woche berichtete, hat die Bundesanwaltschaft die Militärjustiz angefragt, ob sie das Verfahren übernehmen will. Die Antwort steht noch aus. Laut VBS-Kreisen sieht diese keine Handhabe für ein Verfahren gegen den Oberfeldarzt. Bundesrat Guy Parmelin wird dieser Tage von immer mehr Leuten im Departement vorgeworfen, er habe zu schnell gehandelt, er sei einer «Intrige auf den Leim gegangen», wie einer sagt.
Ein pensionierter Oberst ist sicher: «Divisionär Kaiser wollte sich beim Bundesrat einschmeicheln.» Der Mann mache «tout pour la carrière», alles für die Karriere. Der Oberst bringt das Motiv so auf den Punkt: «Er hat zwei Sterne, einer fehlt ihm noch.» Kaiser ist Divisionär, also Zwei-Sterne-General. Der nächsthöhere Rang, der mit den drei Sternen, ist der Korpskommandant.
Sicher ist: Andreas Stettbacher ist seit 2009 Oberfeldarzt, Kaiser seit 2015 sein Vorgesetzter. Es scheint, dass zwei völlig unterschiedliche und unvereinbare Charaktere aufeinandergetroffen sind.
Auf der einen Seite «Divisionär Leichtfuss», wie der «SonntagsBlick» den Oberfeldarzt nannte, da er auf Kriegsfuss mit Formularen und Formalitäten stehe. Der kluge und weit gereiste «Doktor», der gelernte Chirurg, ein lockerer und brillanter Typ, der vielen intellektuell überlegen ist.
Auf der anderen Seite der ehrgeizige Divisionär Kaiser, ein gelernter Primarlehrer, der Berufsoffizier wurde. Ein Soldat mit Ambitionen und hohen Karrierezielen, der fleissig das Haar in der Suppe sucht, wie einer sich ausdrückt. «Ein Streber», sagt ein Offizier knapp. Das fiel Kameraden angeblich schon in den militärischen Ausbildungsgängen auf, schon dort habe der Karriereoffizier für Stirnrunzeln gesorgt: Weil er nie dabei war, wenn die anderen am Abend in den Ausgang gingen, um in geselliger Runde ein paar Bier zu trinken.
Das VBS wollte gestern keine Stellung nehmen zum laufenden Verfahren. Inoffiziell heisst es, man könne davon ausgehen, dass eine Strafanzeige nicht ins Blaue hinaus erfolge. Divisionär Kaiser reagierte gestern nicht auf eine Anfrage um Stellungnahme. Auch Oberfeldarzt Stettbacher war nicht zu erreichen. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.
Aber die Sache droht sich, so oder so, auszweiten. «Wenn Andreas Stettbacher unschuldig ist, dann müssen Köpfe rollen», ist für einen Offizier klar. Die Schuldigen wären für ihn dann in erster Linie jene, die den Oberfeldarzt beim Chef verpetzten.
Ungemütlich würde es dann aber auch für Bundesrat Guy Parmelin, der sich in seinem ersten Amtsjahr durch rasches Handeln ausgezeichnet hat. «Monsieur Schnellschuss» nennen ihn einige bereits.
Denn angeblich zu schnelles Handeln wurde dem Waadtländer schon in einem anderen Fall vorgeworfen: Beim Luftabwehrsystem Bodluv. Parmelin sistierte dieses im Frühling kurzerhand, nachdem es finanziell immer mehr aus dem Ruder zu laufen drohte. Seither ist auch um Bodluv ein erbitterter politischer Streit entbrannt. Eine Subkommission der Geschäftsprüfungsdelegation (GPK) kam zu einem vernichtenden Verdikt über Parmelins Handlungsweise. Weite Teile des GPK-Plenums allerdings stellten sich hinter den SVP-Bundesrat, sodass die GPK den Bericht vor gut einer Woche noch nicht verabschieden konnte. Das soll nun im kommenden Januar geschehen.