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Schweiz
Die SBB will Billett-Preise und Angebote individueller auf Kundenbedürfnisse anpassen. Diese Pläne stossen nicht nur auf Zustimmung.
Für SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar steht fest: «Das Smartphone eröffnet neue Perspektiven.» Es gebe bei Tickets und Abonnements «ganz neue Möglichkeiten der Preisdifferenzierung», sagte sie im Interview mit der «Schweiz am Wochenende». Der Weg sei klar: «Billett-Preise und Angebote werden individueller werden, entsprechend den Kundenbedürfnissen.» Konkret erwähnte Ribar die Idee, allen Passagieren «General-Abo-Komfort» zu bieten und ein individuelles GA zu lancieren, das ein frei wählbares Kostendach hat.
Was gut klingt, gefällt nicht allen. Pro Bahn Schweiz – die Interessenvertretung der Kunden im öffentlichen Verkehr – plädiert für eine Vereinfachung der Tarife und befürchtet, die Digitalisierung führe zum Gegenteil: «Zu einer noch grösseren Vielfalt an Billettlösungen», wie Karin Blättler sagt, die Präsidentin von Pro Bahn. Mit den Sparbilletten (siehe Kasten unten) gibt es bereits heute Einzeltickets, die an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Blättler kritisiert: «Ein Teil der Billettangebote steht etwa 70 Prozent der Kunden nicht zur Verfügung.»
Von A nach B zu fahren, das war früher auf dem SBB-Netz zu jeder Zeit gleich teuer. Diese Einheitstarife sind aber Geschichte, seit die Bahn sogenannte «Sparbillette» auf den Markt gebracht hat. Die SBB verkaufen sie auf ihren digitalen Kanälen: über die Mobile-App und im Internet auf www.sbb.ch/ticketshop. Pro Tag setzen die SBB 9000 Sparbillette ab. Kürzlich haben sie mitgeteilt, dass den Kunden seit 2015 rund 88 Millionen Franken Rabatt gewährt worden seien.
Vor allem aber hegt man bei Pro Bahn den Verdacht, durch einen «unkontrollierten Wildwuchs der Billettpreise» (Blättler) würden die Berufspendler benachteiligt. Sie könnten am Ende die Zeche zahlen, weil zu Stosszeiten keine Rabatte oder sonstigen Vergünstigungen infrage kommen. «Ausgerechnet jene Bevölkerungskreise, die wegen der Benutzung des öffentlichen Verkehrs einen längeren Arbeitsweg auf sich nehmen, so zur Entlastung der Strasse beitragen und zur Umwelt Sorge tragen, würden vermehrt zur Kasse gebeten werden, wenn sie zur Arbeit müssen», sagt die Pro-Bahn-Präsidentin.
Anders beurteilt man beim Verband öffentlicher Verkehr (VöV), dem Zusammenschluss aller Transportunternehmen, die neuen Ticket-Vorschläge. Verbandsdirektor Ueli Stückelberger sagt zur «Nordwestschweiz», das Smartphone sei als Verkaufskanal neuer Billettlösungen eine grosse Chance. Denn der öffentliche Verkehr mache heute drei Viertel seines Umsatzes mit Abonnements (Halbtax, Generalabo, Streckenabo etc.). «Doch bei den Einzelbilletts sind wir relativ teuer, und das hält gerade junge Leute und Menschen, die in der Freizeit unterwegs sind, vom Benutzen des öffentlichen Verkehrs ab.»
Es sei ein erklärtes Ziel des VöV, bei diesen Zielgruppen attraktiver zu werden. «Mich sorgt die Kostenschere, die sich im Vergleich zum Privatverkehr auftut: Die Schiene wurde im Gegensatz zur Strasse immer teurer.» Innovative Ticketlösungen könnten hier Abhilfe schaffen und neue Kundengruppen abholen.
SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar äusserte sich im Interview ebenfalls zum Problem der steigenden Ticketpreise. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurden die Billette und Abos immer teurer. Diese Gewohnheit gilt in der neuen Welt mit Fernbussen, Uber und selbstfahrenden Autos wohl nicht mehr. «Wir müssen versuchen, eine Stabilisierung der Preise hinzubekommen», so Ribar. «Dies gemeinsam mit der ganzen Branche. Denn die Mobilität verändert sich gerade grundlegend.»
Zumindest mit dieser Absicht dürften wohl alle einverstanden sein.