Tessin
In Campione soll die Kugel wieder rollen

Das geschlossene Casino in der italienischen Exklave dürfte Ende Jahr wieder eröffnen. Allerdings stark verändert.

Gerhard Lob
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Das vom Schweizer Architekten Mario Botta gebaute Casino in Campione.

Das vom Schweizer Architekten Mario Botta gebaute Casino in Campione.

Udo Bernhart / picture alliance

Seit bald drei Jahren ist das Casino der italienischen Exklave Campione d’Italia am Luganer-See geschlossen. Ein gewaltiger Schuldenberg erdrückte damals das Casinò Municipale. Mehrere Hunderte Angestellte verloren über Nacht ihren Job. Die kleine Gemeinde, die zu 100 Prozent am Tropf der Casino hing, ging praktisch bankrott. Die Gemeindepolizei hatte nicht mal mehr Geld, ihre Autos zu betanken. Ein ökonomisches Desaster. Das gewaltige Casino aus der Feder von Architekt Mario Botta, einst der grösste Spieltempel Europas, thront seither wie ein dunkles Monster am Seeufer.

Doch nun ist Licht am Horizont aufgetaucht. Ein Gericht in Como hat dieser Tage im Rahmen des Konkursverfahrens einem Relaunch-Plan zugestimmt. Damit könnte das Casino innert Ende Jahr wieder ihre Tore öffnen. Vorgesehen ist allerdings eine deutliche Verkleinerung des Spieltempels.

Weniger als die Hälfte der Stellen bleiben erhalten

Nur noch 174 Personen sollen dort arbeiten. Zum Zeitpunkt der Schliessung im Juli 2018 waren es fast 500. Auch die Gehälter sollen nach unten angepasst werden. Die Erträge werden markant fallen. Die Gemeinde Campione soll nur noch 7,5 Millionen Euro über fünf Jahre erhalten. Im letzten vollen Betriebsjahr 2017 kassierte sie noch 9,9 Millionen Franken. Der Bruttospielertrag wird über die ersten fünf Jahre in der Summe auf 106 Millionen Euro geschätzt. Das ist ein Betrag, der früher für ein einziges Betriebsjahr galt.

Im Business-Plan, den der «Corriere di Como» publik machte, wird auch der hypothetische Gewinn pro Kunde beziffert. Jede Spielerin und jeder Spieler lässt demnach 150 Franken bei einem Besuch im Casinò liegen.

Die ins Konkursverfahren involvierten Gläubigerbanken haben dem Projekt offenbar zugestimmt. Dies verwundert nicht, denn sie erhoffen sich, über einen neu angelaufenen Spielbetrieb eine gewisse Rückzahlung der Schulden. Wenn nichts passiert, können sie mit keinerlei Beträgen rechnen. Denn die Immobilie allein wirft nichts ab.

In Campione d’Italia hat man die Perspektive einer Wiedereröffnung des Casinos mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Bürgermeister Roberto Canesi hat aber schon gemahnt: «Es darf keine Rückkehr zur totalen Abhängigkeit vom Casino geben, dieser ökonomischen Mono-Kultur.» Neben dem Spielbetrieb müsse Campione auch touristisch weiterentwickeln.

Campione ist von der Schweiz weggerückt

Im Ort hört man die Botschaft wohl, doch allein es fehlt der Glaube. Denn Campione hat nicht nur das Casino-Problem, sondern ist seit 1. Januar 2020 nicht mehr Teil der Schweizer Zollunion, sondern ins Zollgebiet der EU integriert. Das hat gewaltige Komplikationen zur Folge. Nicht einmal mehr eine Post gibt es in der 2000-Seelen-Gemeinde. Schweizer Versicherungen haben die Policen für ihre Kunden aus Campione gekündigt. Alle Waren müssen nun beim Import nach Campione deklariert werden, das gilt beispielsweise für Heizöl, das traditionsgemäss bei Tessiner Mineralölfirmen geordert wird. «Eine italienische Bürokratie der schlimmsten Sorte», schimpfen viele Campionesi, die immer stolz waren, eine Art von Schweizern auf italienisches Territorium zu sein.

Wenig Freude an einer Wiederöffnung von Campione dürften indes die Casinos im Tessin haben. Sie konnten, insofern sie nicht wegen des Coronavirus geschlossen waren, von der Situation profitieren, insbesondere das B-Casino Casinò Admiral in Mendrisio, aber auch das A-Casino in Lugano. Ihr Bruttospielerträge machten einen schönen Sprung nach vorne. Etwas weniger profitiert von der Schliessung in Campione hat das dritte Tessiner Casino in Locarno.