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Schweiz
Der Bundesrat und die Banken haben in Rekordzeit ein Hilfspaket für KMU geschnürt. Die Krisendarlehen gibt es zum Nulltarif.
«Sie bluffen», stand in einem der vielen E-Mails, die Finanzminister Ueli Maurer in den letzten Tagen von besorgten Unternehmern erhalten hat, «auf der Bank haben sie mir gesagt, das dauere mindestens vier Wochen!» Am Freitag hatte der Bundesrat angekündigt, er werde den 500000 Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen in der Schweiz unbürokratisch helfen, um Liquiditätsengpässe wegen der Coronakrise zu überbrücken und Konkurse zu verhindern. «Derjenige, der Geld braucht, geht zu seiner Bank. Und die Bank gibt ihm das Geld, weil wir, der Bund, gegenüber der Bank bürgen», sagte Maurer. 20 Milliarden Franken stellt der Bund dafür zur Verfügung.
Über das Wochenende wurden die letzten Details geklärt, gestern hat sie der Bundesrat genehmigt, die Banken haben ihr Personal geschult, ab Morgen läuft das grösste Hilfsprogramm in der Geschichte an. Ueli Maurer war sichtlich stolz, was der Bund zusammen mit dem Finanzplatz und der Nationalbank geschaffen hat. «Es ist herrlich, hier zu arbeiten. Wenn an einem Sonntagmorgen um 11 Uhr 300 Bankenvertreter zusammen an einer Telefonkonferenz teilnehmen, dann wissen Sie, wie ernst wir das nehmen.» Die Botschaft ist klar: Die Schweizer Regierung kündigt nicht einfach Hilfspakete mit enormen Summen an, sondern liefert im Eilzugstempo auch die Umsetzung.
Firmen, die wegen der Corona-Krise «wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt sind». Sie können Überbrückungskredite im Umfang von maximal 10 Prozent ihres Jahresumsatzes bei ihrer Hausbank beantragen. Das Formular ist auf der Website www.covid19.easygov.swiss verfügbar. Unterschieden werden zwei Arten von Krediten. Bis zu 500000 Franken bürgt der Bund voll, er trägt also das ganze Ausfallrisiko. Der Zinssatz beträgt null Prozent.
Überbrückungskredite zwischen 500000 und 20 Millionen Franken werden vom Bund zu 85 Prozent abgesichert, das restliche Risiko trägt die Bank. Der Zins für diese Darlehen liegt bei 0,5 Prozent, weil der Aufwand für die Banken grösser ist. Martin Scholl, Chef der Zürcher Kantonalbank, versprach gestern eine unbürokratische Hilfe. Ziel sei es, dass die Kreditanträge bis zu einer halben Million Franken innerhalb von 30 Minuten genehmigt sind, die anderen innerhalb eines Arbeitstages. Die Banken haben dafür zusätzliches Personal geschult. Die Kreditanträge können ab heute und bis zum 31. Juli eingereicht werden.
Ja, Firmen, die von diesen Krisendarlehen profitieren, dürfen keine Dividenden oder Tantiemen ausschütten oder Kapitaleinlagen zurückerstatten. Damit sollen die Unternehmen auch einen Anreiz haben, die Darlehen zügig zurückzubezahlen. Dies muss innerhalb von fünf Jahren geschehen, in Härtefällen kann die Rückzahlungsfrist bis auf sieben Jahre ausgedehnt werden.
Die Kredite dürfen nicht für Neuinvestitionen gebraucht werden, sondern sind nur als Überbrückungshilfe für Liquiditätsengpässe gedacht. Die Banken können die Kreditanträge im Prinzip auch ablehnen, es gibt keinen Vertragszwang. Doch es gebe eine hohe Verpflichtung der Banken, Anträge nur in Ausnahmefällen abzulehnen, heisst es beim Bund. Etwa, wenn ein Unternehmen in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Geldwäscherei auffällig worden ist.
Der Kreditantrag beruht auf einer Selbstdeklaration: Zehn Kreuzchen und eine Unterschrift genügen. Bundesrat Maurer geht davon, dass die Schweizer Firmen ehrlich sind und den Staat nicht über den Tisch ziehen. Wenn nicht, dann droht eine happige Busse von bis zu 100000 Franken.
«Ich glaube nicht, dass die Banken unter dem Strich ein Geschäft machen», sagt Maurer. Die Zinssätze von 0 respektive 0,5 Prozent seien das Ergebnis von Verhandlungen mit den Banken. Maurer machte dazu folgendes Beispiel: Für einen Kredit von 500000 Franken erhält die Bank einen Zins von 250 Franken pro Jahr. «Damit bezahlen Sie eine bessere Arbeitsstunde.» Um jegliche Bedenken in dieser Hinsicht wegzuwischen, sagte CEO Thomas Gottstein: «Wenn ein Gewinn anfallen sollte, werden wir ihn spenden.»
Wenn die Banken über zu wenig liquide Mittel verfügen, um die Krisen-Darlehen zu finanzieren, dann können sie diese bei der Schweizerischen Nationalbank hinterlegen. Die SNB stellt eine temporäre, unbeschränkte Fazilität zur Verfügung. «Wir sorgen dafür, dass die Banken über die nötige Liquidität verfügen», sagte Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, an der Medienkonferenz. Die Banken bekommen die nötigen liquiden Mittel zu einem Zinssatz von –0,75. Zudem beantragt die Nationalbank dem Bundesrat, dass die antizyklischen Kapitalpuffer für Hypotheken deaktiviert werden. Auch damit soll der Spielraum der Banken vergrössert werden.
Mark Branson, Chef der Finanzmarktaufsicht, sagte, dass die Banken kapitalmässig gut aufgestellt sind. Trotzdem lancierte er einen Appell an die Banken: Sie sollen eine umsichtige Ausschüttungspolitik machen, um ihre Robustheit zu erhalten, denn: «Wir sollten uns keine Illusionen machen, die aktuelle Situation wird auch bei den Banken Spuren hinterlassen.» Kapitalstärke zu erhalten, sei kein Zeichen von Schwäche. Die Finanzinstitute müssten sich die Frage stellen, ob sie für die Schweizer Unternehmen da sein wollen oder für die (ausländischen) Anleger. Die Banken haben sich zudem verpflichtet, alle Aktienrückkaufprogramme zu sistieren.
Wie viele Firmen von den Darlehen gebrauchen machen werden, weiss niemand. Auch nicht wie gross das Ausfallrisiko ist: Ueli Maurer sagte: «Wir ziehen eine rasche Lösung vor und nehmen in Kauf, dass wir den einen oder anderen Kredit abschreiben müssen.» Tempo ist zurzeit alles in diesem Land, das für seine Langsamkeit bekannt ist.