Frauen, die ihr Gesicht bis auf einen Schlitz für die Augen verhüllen, sieht man in der Schweiz nicht jeden Tag. Doch das könnte sich in Zukunft ändern. Vor allem Konvertitinnen und Touristinnen verschleiern sich.
Jessica Pfister
«Noch sind es relativ wenige, aber die Zahl steigt im überschaubaren Rahmen», sagt Christiane Faschon, Autorin des Buches «Is-lam in der Schweiz». Dabei handle es sich vor allem um Konvertiten und arabische Touristen. «Bei den Konvertiten sind es entweder Schweizer Männer, die eine verhüllte Frau aus arabischen Ländern heiraten, oder Schweizer Frauen, die ebenfalls mit einem Konvertiten verheiratet sind.»
Migrantinnen hingegen seien oft froh, die Ganzkörperbekleidung ablegen zu können – soweit es die Familie erlaube. «Konvertiten hingegen neigen oft zu einer extrem Form der Religion.»
«Druck auf Verbot nimmt zu»
Genau diese extreme Form sorgt in der Schweiz aktuell wieder für rote Köpfe. Nachdem es Anfang Jahr auf der politischen Bühne ein wenig stiller um das Thema Burka-Verbot wurde, hat die Kontroverse um den Islamischen Zentralrat Schweiz die Diskussion wieder angeheizt. «Der Druck in der Schweiz für ein Burka-Verbot nimmt zu», ist Christophe Darbellay überzeugt. Der CVP-Präsident hatte bereits 2006 einen entsprechenden Vorstoss eingereicht, im Dezember 2009 doppelte er mit einer Interpellation nach. Der Bundesrat wiegelte stets ab: «Solange sich eine Frau aus freien Stücken für das Tragen einer Burka oder eines Nikab entscheidet, sind ihre eigenen Grundrechte nicht verletzt», schreibt er in seiner Antwort vom 24. Februar 2010.
Selbst Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die vor der Minarett-Abstimmung wohl aus taktischen Gründen mit einem solchen Verbot geliebäugelt hatte, spricht sich inzwischen dagegen aus. Im Lichte der neueren Entwicklungen könne zwar geprüft werden, ob eine Neubeurteilung angezeigt sei – jedoch nur, «wenn Burka-Trägerinnen in grosser Zahl auftreten».
Einig sind sich alle Parteien in einem Punkt: Musliminnen sollen in öffentlichen Ämtern keine Burka tragen. Bereits umgesetzt hat dies die Solothurner Gemeinde Grenchen. Auf dem Einwohneramt oder der Stadtverwaltung werden dort seit November 2009 verhüllte Frauen nicht mehr bedient. «Bis jetzt haben wir kein Problem mit dieser neuen Bestimmung gehabt», sagt Stadtpräsident Boris Banga. Auslöser war der Fall einer komplett verhüllten 19-jährigen Schweizerin, die sich bei der Einwohnerkontrolle anmeldete und sich erst nach einigem Hin und Her enthüllte.
«Zeige zur Identifikation Gesicht»
Für Nora Illi, Frau des Sprechers des Islamischen Zentralrats Schweiz (siehe Ausgabe vom 15. April), ist es kein Problem, ihren Nikab in öffentlichen Ämtern auszuziehen: «Zur Identifikation zeige ich auch mein Gesicht, meist ist da auch eine Frau anwesend.»
Überhaupt kein Problem mit verhüllten Frauen hat man in Interlaken. In den letzten sieben Jahren hat sich dort die Zahl arabischer Touristen verzehnfacht. Patrizia Pulfer von Interlaken Tourismus: «Ob nun Frauen eine Burka tragen oder einen indischen Sari, spielt keine Rolle, niemand schaut sie hier deshalb schräg an.»