Ihr Chef weiss, wo Sie waren

Die neue Technologie macht es möglich: Arbeitgeber überwachen zunehmend die Geschäftsautos ihrer Mitarbeiter. Die Rechtslage ist unklar. Die Gewerkschaften zeigen sich besorgt.

Sven Altermatt
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Mit der Überwachung ihrer Fahrzeugflotte wollen Firmenbesitzer die Effizienz der Mitarbeiter steigern. (Bild: Getty)

Mit der Überwachung ihrer Fahrzeugflotte wollen Firmenbesitzer die Effizienz der Mitarbeiter steigern. (Bild: Getty)

Eigentlich wollte Urs Keller bloss Hundefutter kaufen. Er ahnte nicht, dass ihm das Probleme einbringen könnte. Der Heizungsmonteur war im Geschäftsauto auf dem Rückweg von einem Kunden, als er sich zu einem kurzen Abstecher entschied. Das Futter seines Labradors war aufgebraucht, und der Händler seines Vertrauens gleich um die Ecke. «Das passt», dachte sich Keller.

Rein in den Laden, Futter kaufen und weiter ging es. Ein paar Tage später musste Keller seinem Chef erklären, was das soll. Das Geschäftsauto dürfe schliesslich lediglich für dienstliche Zwecke benutzt werden, erinnerte ihn der Chef. Der Monteur kassierte einen Rüffel. In seinem Geschäftsauto ist ein GPS-Tracker eingebaut, das System erkennt, wo sich das Fahrzeug befindet und wie schnell es sich bewegt – oder eben nicht. Kellers Chef überprüft die Daten regelmässig.

Ein Einzelfall ist das nicht. So wie Urs Keller, der in Wirklichkeit anders heisst, werden auch andere Arbeitnehmer überwacht. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger beobachtet eine Zunahme entsprechender Fälle. «Navigationsgeräte in Geschäftsfahrzeugen und andere Geräte mit GPS-Funktion scheinen immer häufiger zur Überwachung von Mitarbeitenden eingesetzt zu werden», hält er in seinem jüngst veröffentlichten Tätigkeitsbericht fest. In den vergangenen Monaten erhielt das Büro des Datenschützers einige Anfragen wegen der Überwachung von Geschäftsfahrzeugen. Betroffen gewesen seien meist Aussendienstler, deren Dienstwagen mit Navigationsgeräten ausgerüstet waren, berichtet der Datenschützer. Ebenso würden Smartphones mit einschlägigen Apps zur Ortung eingesetzt.

Grauzone ist gross

Die Gewerkschaften zeigen sich besorgt. Philipp Zimmermann von der Unia spricht von einem «zunehmenden Problem». Regelmässig würden Fälle gemeldet, in denen Mitarbeitende etwa mittels GPS-Trackern in Geschäftsfahrzeugen überwacht werden. Heutzutage gebe es so viele Möglichkeiten wie noch nie, um Angestellte zu überwachen, sagt Zimmermann. «Nicht selten werden die Daten dazu genutzt, um Mitarbeiter auf mehr Effizienz zu trimmen.» Dagegen könnten sich Betroffene in der Realität kaum wehren.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Dieses Prinzip erfreut sich bei manchen Arbeitgebern ungebrochener Beliebtheit. Doch darf wirklich jeder zurückgelegte Kilometer eines Mitarbeiters überprüft werden? «Diese Art der Überwachung ist nur zulässig, wenn sowohl die Rahmenbedingungen des Datenschutzrechts als auch des Arbeitsrechts berücksichtigt werden», so fasst Datenschützer Lobsiger die vertrackte Rechtslage zusammen. Klare Regeln gibt es nicht, könnte eine Kurzform seiner Worte lauten. Die Grauzone ist gross. Grundsätzlich gilt: Arbeitgeber dürfen die Geschäftswagen ihrer Angestellten überwachen, die Datensammelei hat jedoch enge Grenzen. Gänzlich verboten ist laut Arbeitsgesetz, mittels Überwachung ausschliesslich das Verhalten am Arbeitsplatz zu überprüfen. Der Persönlichkeitsschutz gehe immer vor, heisst es beim Staatssekretariat für Wirtschaft. Trotzdem gibt es Ausnahmen. Juristen sprechen dann von einem «berechtigten Interesse», das ein Arbeitgeber haben muss, um die Fahrzeuge seiner Mitarbeitenden zu lokalisieren. Der Datenschützer nennt als Beispiel die Einsätze von Aussendienstlern, die sich dank präziser Kenntnis der Fahrten besser planen lassen. Zudem kann der Aufwand eines Besuches bei Kunden genauer erfasst werden. Jede Überwachung hat verhältnismässig zu sein. Das bedeutet: Das verfolgte Ziel muss den Eingriff in die Privatsphäre eines Angestellten rechtfertigen, und dieser muss stets möglichst gering gehalten werden.

Private Fahrten sind tabu

Laut dem Datenschützer sollten die gesammelten Informationen «für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses oder für den Geschäftszweck tatsächlich relevant sein». Das Bundesgericht sieht das Ganze indes weniger streng. Die obersten Richter bezeichnen den Einsatz eines GPS-Systems in einem früheren Urteil als zulässig, solange es der Kontrolle der Arbeitszeiten und zur Verhinderung von Missbrauch dient. Allerdings dürfen die Systeme nur sporadisch und nachträglich genutzt werden. Nicht erlaubt ist die Überwachung, wenn ein Mitarbeiter privat in seinem Geschäftsfahrzeug herumkurvt. Heikel sind Echtzeitüberwachungen. Zulässig sind sie lediglich dann, wenn sie aus Sicherheitsgründen notwendig sind, also beispielsweise bei einem Geldtransporter.

So oder so müssen Angestellte über eine Überwachung und die Gründe dafür informiert werden. Sie haben das Recht zu erfahren, welche Daten über sie gesammelt werden, wer Zugriff darauf hat und wo die Angaben archiviert sind. Auch Urs Keller, der Heizungsmonteur, hätte wissen können, dass er während dienstlichen Fahrten überwacht werden kann. Doch dem Reglement zur Nutzung von Geschäftsfahrzeugen schenkte er keine Beachtung. Bis ihm der Kauf von Hundefutter zum Verhängnis wurde.