Startseite Schweiz
Der Prozess um Betrug bei Schiffsbürgschaften läuft vor dem Berner Wirtschaftsstrafgericht. Es geht um mehr als 200 Millionen, und weitere Verluste drohen. Heute Dienstag kam der Angeklagte Reeder zu Wort – oder eben nicht.
Der Bund verlor weit über 200 Millionen Franken an Steuergeldern, weil er für ein gutes Dutzend von Hochseeschiffen des Reeders Hans-Jürg Grunder bürgte, dem das Geld ausging. 2017 stiess der Bund die Schiffe nach jahrelangem Hin und Her in einem Notverkauf an einen kanadisch-libanesischen Käufer ab. Jetzt läuft in Bern ein Betrugsprozess.
Am Dienstagvormittag, dem zweiten Prozesstag, sollte Reeder Grunder aussagen. Er war allerdings nur bereit, Fragen zu seiner Person zu beantworten. So gab er an, er sei in ärztlicher Behandlung, da ihn die Vorwürfe des Bundes, er habe einen Schaden von Millionen von Steuergeldern verursacht, nervlich belaste. Er lebe von der Rente und der AHV, gab Grunder an, und arbeite noch an einem Projekt, aus dem aber bisher nichts geworden sei. Es geht um den Bau von Öko-Tankern.
Fragen zur Sache beantwortete Grunder offensichtlich auf Anraten seines Anwalts nicht. Seine Begründung, die er vor Gericht vortrug: „Ich bin seit Jahren schon verurteilt“, in den Akten sei alles offengelegt, es gebe also nichts mehr zu sagen. „Das erste, was mir der Staatsanwalt sagte: Sie können in Ihrem Haus bleiben, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Mit anderen Worten, ich bin schon verurteilt.“
Der Prozess gegen Grunder, für den die Unschuldsvermutung gilt, fokussiert auf eine Person und eine beschränkte Anzahl von Tatbeständen. Viele Fragen, viele Verhaltensweisen bleiben notgedrungen ungeklärt: Denn die Berner Staatsanwaltschaft konzentrierte sich aus Zeitgründen – es droht die Verjährung – auf wesentliche, gut belegbare Vorgänge. Immerhin brachten die Berner eine Anklage zustande. Im Unterschied zur Bundesanwaltschaft, die das Verfahren gegen Michael Eichmann, den lange beim Bund für die Bürgschaften zuständigen Chefbeamten, einstellte. Dass Eichmann von Grunders mutmasslichen Betrügereien wusste, sei ihm nicht zu beweisen.
Eichmann sagte am Montag im Prozess als Auskunftsperson aus, und er wirkte wie ein Entlastungszeuge von Grunder, den er als Ehrenmann schilderte. In der Befragung wurde aber auch deutlich, dass der Bund die von Grunder vorgelegten Schiffspreise kaum je kritisch hinterfragte. Man verliess sich unter anderem auch auf die Banken, allen voran CS und UBS, die mit den Schiffskrediten absolut risikolos viel Geld verdienten. Ausdruck davon ist, dass keine der Banken als Privatkläger gegen Grunder auftritt.
Das Beweisverfahren im Hochsee-Prozess ist abgeschlossen, nächste Woche folgen die Parteivorträge, angefangen mit Staatsanwalt Roman Sigrist. Alle Privatkläger haben angekündigt, dass sie Ersatzforderungen stellen werden. Als Privatkläger treten auf: die Eidgenossenschaft, eine Reihe von Schiffsgesellschaften, hinter denen letztlich auch der Bund steht. Und die MV Basilisk AG, die der Familie des Berner Anwalts Nicolas Koechlin gehört. Ihr soll Grunder das Schiff Basilisk, gestützt auf einen simulierten Bauvertrag, zu einem überhöhten Preis verkauft haben.
Das Urteil wird für den 9. Juli erwartet. Eine wesentliche Komponente könnte die Frage der Verjährungsfrist bilden, die 15 Jahre beträgt. Einige der beanstandeten Handlungen um mutmasslichen Bürgschaftsbetrug begannen im Jahr 2003 und wurden Ende 2005 beendet. Die Verteidigung dürfte sie als verjährt bezeichnen.
Grunders SCL-Reederei ist nicht der einzige Fall, bei dem der Bund viel Geld mit Schiffen verlor. Bereits stellte der Bund weitere rund 130 Millionen zurück, weil eine zweite Reederei (Massoel in Genf) in Schieflage ist. Weitere Schiffe musste der Bund zuletzt notverkaufen. Und noch sind etwa 375 Millionen Franken an Bundesbürgschaften offen.