Gerichtsprozess
Hochseeflotten-Prozess: Angeklagter Reeder verweigert vor Gericht die Aussage

Am zweiten Tag im Hochseeflotten-Prozess darf sich Hans-Jürg Grunder erklären. Doch der angeklagte Reeder schweigt. Es stehe alles in den Akten. Und er sei sowieso schon verurteilt.

Henry Habegger
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Der angeklagte Reeder Hans-Jürg Grunder am Montag beim Beginn des Hochseeflotten-Prozess im Berner Amtshaus.

Der angeklagte Reeder Hans-Jürg Grunder am Montag beim Beginn des Hochseeflotten-Prozess im Berner Amtshaus.

Karin Widmer / Keystone

Am Diensttag, dem zweiten Prozesstag im Amtshaus in Bern, sollte Grunder im sogenannten Hochseeflotten-Prozess aussagen. Der Berner Oberländer Reeder war allerdings nur bereit, Fragen zu seiner Person zu beantworten. So gab Grunder an, er sei in ärztlicher Behandlung, da ihn die Vorwürfe des Bundes, er habe einen Schaden von Millionen von Steuergeldern verursacht, nervlich belaste. Er lebe von der Rente und der AHV, gab Grunder an. Und er arbeite noch an einem Projekt, aus dem aber bisher nichts geworden sei. Es geht um den Bau von Öko-Tankern.

Fragen zur Sache beantwortete Grunder nicht – offensichtlich auf Anraten seines Anwalts. Grunders Begründung, die er vor Gericht vortrug: «Ich bin seit Jahren schon verurteilt.» In den Akten sei alles offengelegt, es gebe also nichts mehr zu sagen. «Das erste, was mir der Staatsanwalt sagte: Sie können in ihrem Haus bleiben, bis das Verfahren abgeschlossen ist», sagte Grunder. «Mit anderen Worten, ich bin schon verurteilt.»

Fokussierter Prozess, um Verjährung zuvor zu kommen

Der Prozess gegen Grunder, für den die Unschuldsvermutung gilt, fokussiert auf eine Person und eine beschränkte Anzahl von Tatbeständen. Viele Fragen und viele Verhaltensweisen bleiben notgedrungen ungeklärt. Denn die Berner Staatsanwaltschaft konzentrierte sich aus Zeitgründen – es droht die Verjährung – auf wesentliche, gut belegbare Vorgänge.

Immerhin brachten die Berner eine Anklage zustande. Im Unterschied zur Bundesanwaltschaft, die das Verfahren gegen Michael Eichmann, den lange beim Bund für die Bürgschaften zuständigen Chefbeamten, eben erst einstellte. Dass Eichmann von Grunders mutmasslichen Betrügereien wusste, sei ihm nicht zu beweisen. Eichmann sagte am Montag am ersten Prozesstag als Auskunftsperson aus. Und er wirkte wie ein Entlastungszeuge Grunders, den er als Ehrenmann schilderte. In der Befragung wurde aber auch deutlich, dass der Bund die von Grunder vorgelegten Schiffpreise kaum je kritisch hinterfragte.

Bund hat über 200 Millionen Franken verloren

Grunder steht seit Montag vor dem kantonalen Wirtschaftsstrafgericht in Bern. Dieses tagt in Dreierbesetzung. Die Berner Staatsanwaltschaft wirft dem 66-Jährigen Leistungsbetrug, Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung und Urkundendelikte vor. Er soll widerrechtlich überhöhte Bürgschaften für Schiffe erwirkt und sich Vermögensvorteile von über 100 Millionen verschafft haben.

Der Bund hat über 200 Millionen Franken an Steuergeldern verloren, weil er für ein gutes Dutzend von Hochseeschiffen des Reeders bürgte, dem das Geld ausging. 2017 stiess der Bund die Schiffe nach jahrelangem Hin und Her in einem Notverkauf an einen kanadisch-libanesischen Käufer ab.