Schweiz
Heiratsstrafe: Der Ständerat bremst die CVP aus – muss die Abstimmung wiederholt werden?

Eine Wiederholung der Abstimmung über die Heiratsstrafe wird immer wahrscheinlicher. Der Ständerat lehnt eine rasche Lösung zur Abschaffung der Heiratsstrafe ab.

Doris Kleck
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Der süsse Tag könnte mit einer höheren Steuerrechnung enden: Der Ständerat ist gegen eine rasche Abschaffung der Heiratsstrafe. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Der süsse Tag könnte mit einer höheren Steuerrechnung enden: Der Ständerat ist gegen eine rasche Abschaffung der Heiratsstrafe. (KEYSTONE/Christian Beutler)

CH Media

Bundespräsident Ueli Maurer versuchte es mit Humor. 1978 hat er geheiratet. Sechs Jahre später stellte das Bundesgericht fest, dass die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren verfassungswidrig ist. Damals sagte er zu seiner Frau, nun werde es besser.

Mittlerweile frage ihn seine Familie: «Weshalb gehst du überhaupt nach Bern, wenn du das Problem nicht lösen kannst?» Der Bundespräsident wird sich diesen Witz zu Hause wohl noch oft anhören müssen. Denn der Ständerat hat gestern die Vorlage zur Abschaffung der Heiratsstrafe an den Bundesrat zurückgewiesen. FDP und SP fordern, dass der Bund weitere Modelle prüft. Wie die Individualbesteuerung, das Waadtländermodell oder sonst irgendetwas (siehe Kasten).

Diese Modelle stehen zur Diskussion

Alternative Steuerberechnung: Ehepaare werden weiterhin gemeinsam veranlagt. Die Verwaltung macht eine Vergleichsrechnung und schaut, wie viel ein Konkubinatspaar mit der gleichen Ausgangslage bezahlt. Das Ehepaar muss den tieferen Betrag dem Fiskus abliefern. Die Kosten betragen nach dem Vorschlag des Bundesrats 1,5 Milliarden Franken. Davon entfallen 1,2 Milliarden auf den Bund und 300 Millionen Franken auf die Kantone.

Waadtländer Modell: Die Waadt ist der einzige Kanton in der Schweiz, der eine Variante des Ehegattensplittings anwendet: der Familienquotient. Zur Berechnung des geschuldeten Steuerbetrages wird nicht ein fixer Divisor angewendet. Dieser variiert nach Haushaltsgrösse. Der Bundesrat lehnt dieses Modell ab: Es entlastet wie alle Splittingsysteme die Ehe stark. Zudem werden die negativen Erwerbsanreize für Zweitverdiener nicht korrigiert.

Individualbesteuerung: Ehepaare sollen individuell veranlagt werden. Bei der reinen Individualbesteuerung bezahlen Einverdienerehepaare jedoch wesentlich mehr Steuern als Zweiverdienerehepaare mit gleichem Einkommen. Abhilfe schaffen könnte der Einverdienerabzug, das wäre dann eine modifizierte Individualbesteuerung. Möglich wäre auch ein Kinderabzug. Die Kosten betragen beim Bund — je nach Ausgestaltung — bis zu 2,37 Milliarden Franken pro Jahr. (dk)

Freisinnige Kakofonie: drei Redner, drei Meinungen

700’000 Ehepaare müssen mehr Bundessteuern bezahlen als unverheiratete Paare in der gleichen wirtschaftlichen Lage. Der Bundesrat will diesen Missstand mit einem alternativen Berechnungsmodell beheben. Die Verwaltung würde künftig bei Ehepaaren zwei Rechnungen anstellen: Einmal würden sie gemeinsam veranlagt, einmal individuell. Auf der Steuerrechnung würde der tiefere Betrag stehen. Der Ständerat will davon nichts wissen.

Der Glarner FDP-Ständerat Thomas Hefti verglich das Modell mit dem Panzer 68: «Jede Korrektur eines Mangels führt zu einem neuen Problem.» Will heissen, mit dem alternativen Berechnungsmodell werden auch neue Ungerechtigkeiten geschaffen, die mit neuen Abzügen korrigiert werden müssen. Hefti entpuppte sich als Freund des Waadtländer Modells mit einem Familienquotienten. Der Bundesrat solle es doch bitte prüfen.

Das hat die Regierung natürlich schon gemacht. Die Antworten finden sich in Berichten und Antworten auf Vorstössen. Andrea Caroni (FDP/AR) erinnerte als Anhänger der Individualbesteuerung daran, dass die Heiratsstrafe auf Bundesebene zwar bestehe, in vielen Kantonen mit dem Heiratsbonus jedoch ausgeglichen werde. Der Bündner Martin Schmid war die dritte Stimme in der freisinnigen Kakofonie: Er lehnt die Individualbesteuerung ab und ortet das Problem bei den Tarifen.

Der Rückweisungsantrag wurde schliesslich unterstützt von den SP-Ständeräten: von Anita Fetz (BS), weil sie die Individualbesteuerung befürwortet. Von Christian Levrat (FR), weil er zu grosse Steuerausfälle befürchtet und nur reiche Familien als Profiteure sieht.

Gegen diese unheilige Allianz stand die CVP auf verlorenem Posten. Der Luzerner Ständerat Konrad Graber unterstellte dem politischen Gegner explizit, es gehe nur darum, Zeit zu schinden: «Alles, was zu prüfen war, wurde geprüft. Klüger werden sie nicht.» Bundespräsident Maurer sagte, man solle diesen Spatz nehmen. Er sei nicht sicher, ob es noch eine Taube auf dem Dach — sprich eine bessere Lösung — gebe. Vergeblich.

CVP-Exponenten wollen an Initiative festhalten

Mit der Rückweisung kommt die CVP unter Druck. Das Bundesgericht hatte die Abstimmung über die Volksinitiative zur Heiratsstrafe im Juni für ungültig erklärt, weil der Bundesrat im Abstimmungskampf mit falschen Zahlen operiert hatte. Spätestens bis am 27. Mai 2020 muss der Bundesrat ein neues Abstimmungsdatum ansetzen. Bis dann muss die CVP entscheiden, ob sie die Initiative zurückziehen wird oder nicht. Bischof ist dafür, an der Initiative festzuhalten. «Sonnenklar» ist dies auch Nationalrat und CVP-Präsidiumsmitglied Martin Candinas. Gemütlich wird der erneute Abstimmungskampf für die CVP aber nicht. Denn die Initiative enthält eine umstrittene Definition der Ehe, als Verbindung zwischen Mann und Frau. Die CVP hatte selbst versucht, im Parlament diese Ehedefinition zu eliminieren. Damit lief sie aber im Parlament aus. Candinas sieht in der Ehedefinition denn auch kein Problem. Zuerst müsse man nun die Heiratsstrafe abschaffen. Die Ehe für alle könne man in einem zweiten Schritt in der Verfassung verankern.