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Schweiz
Das könnte teuer werden: Am Dienstag haben sich die rumänische EU-Ratspräsidentschaft und das EU-Parlament auf eine Neuregelung bei der Koordinierung der Sozialsysteme verständigt. Das definitive Ja der Mitgliedstaaten vorbehalten, dürfte die Schweiz die Anpassung im Rahmen der Personenfreizügigkeit dereinst übernehmen müssen.
Konkret würden arbeitslos gewordene Grenzgänger künftig vom Land ihrer letzten Beschäftigung ihr Arbeitslosengeld erhalten, statt wie heute von ihrem Wohnstaat. Für die Schweiz mit ihren über 320'000 Grenzgängern drohen laut Staatssekretariat für Migration (SEM) jährliche Mehrkosten von einem «höheren dreistelligen Millionenbetrag». Ein Kenner des Dossiers spricht von über 700 Millionen Franken pro Jahr.
Anspruchsberechtigt sollen alle Grenzgänger sein, die mindestens sechs Monate in der Schweiz gearbeitet haben. Vorausgesetzt natürlich, sie erfüllen die hier geltenden Bezugsbedingungen. Aktuell wären das zwölf Monate Erwerbstätigkeit mit entsprechenden Beitragszahlungen während der letzten zwei Jahre.
Ein Beispiel: Ein im französischen Annemasse wohnhafter Arbeiter pendelt während mindestens sechs Monaten ins nahegelegene Genf und zahlt dort seine Arbeitslosenbeiträge. Verliert er den Job, soll er neu aus der Schweiz seine Arbeitslosenunterstützung erhalten. Sucht er in Frankreich einen Job, müsste die Schweiz für maximal 15 Monate bezahlen.
Annemasse ist nicht zufällig gewählt: 45 Prozent der dortigen unterstützten Arbeitslosen waren einst Grenzgänger in die Schweiz. Da ihre Bezüge auf Schweizer Löhnen basieren, kosten sie die französische Arbeitslosenkasse das 1,5-fache eines «normalen» Bezügers. Total zahlte Frankreich 2017 rund 530 Millionen Euro an ehemalige Schweizer Grenzgänger. Paris hatte denn auch am vehementesten auf die Neuregelung gedrängt.
Kompliziert wird es, wie die von der Schweiz finanzierten und im Ausland wohnenden Arbeitslosen bei der Jobsuche begleitet werden können. Grenzgänger-Vereinigungen aus Frankreich wehrten sich gegen den Systemwechsel. Sie argumentieren, es sei nicht zumutbar, regelmässig zu Gesprächen über die Grenze zitiert zu werden und mit einer Behörde in einer anderen Sprache zu korrespondieren. Der Vorschlag des EU-Parlaments, dass Grenzgänger wählen können, in welchem Land sie registriert sind, setzte sich denn auch nicht durch.
Eine zweite Neuerung, die für die Schweiz Mehrkosten mit sich bringen dürfte, ist der Ausbau des Exports der Arbeitslosenentschädigung ins Ausland. Entscheidet sich jemand bei einem Jobverlust, in einem anderen EU-Land nach Arbeit zu suchen, kann er sich das Arbeitslosengeld heute maximal drei Monaten nachschicken lassen. In der Schweiz nahmen 2018 3450 Personen diese Möglichkeit in Anspruch. Neu soll dieser Arbeitslosengeld-Export sechs Monate möglich sein. Die EU will so die Arbeitskräftemobilität erhöhen. Profitieren würden freilich auch arbeitslose Schweizer, die ihr Glück in der EU versuchen.