Auszonungen
Gemeinden hadern mit neuem Raumplanungsgesetz – ein Aargauer Dorf ärgert sich besonders

Das Raumplanungsgesetz schreibt den haushälterischen Umgang mit dem Boden vor. Welche Schwierigkeiten mit dessen Umsetzungen verbunden sind, zeigt sich in der Aargauer Gemeinde Hallwil (AG). Dort fühlt man sich um Entwicklungschancen gebracht.

Jonas Schmid
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Auszonungen stossen in den Gemeinden auf Unverständnis

Auszonungen stossen in den Gemeinden auf Unverständnis

KEYSTONE

Lieber dichter bauen als noch mehr grüne Wiese opfern: So will es das Volk. Es hat das neue Raumplanungsgesetz (RPG) 2013 angenommen. Die Revision ist seit vier Jahren in Kraft. Mit einem Strauss an Massnahmen soll der haushälterische Umgang mit dem Boden durchgesetzt werden. 12 von 26 Kantone haben ihre Richtpläne an die neue Gesetzesgrundlage angepasst, die anderen haben bis Mai 2019 Zeit dafür. Nach den neuen Bestimmungen müssen die Kantone ihren Baulandbedarf für die nächsten 15 Jahre ausweisen. Verfügen sie über zu grosse Reserven, muss ausgezont werden.

Einer, der mit dem neuen Gesetz schon einschlägige Erfahrungen gemacht hat, ist der Kanton Aargau. Sechs Gemeinden haben zu grosse Bauzonen. Sie müssen 17 Hektaren Land auszonen: Burg, Menziken und Reinach haben ihre kommunale Nutzungsplanung schon angepasst. Noch hängig sind die Revisionen in Gontenschwil, Rupperswil und Hallwil.

Viel Konfliktstoff

Welche Schwierigkeiten mit der Umsetzung des RPG verbunden sind, zeigt sich am Beispiel Hallwil, einer Gemeinde mit 860 Einwohnern. Sie muss 3,2 Hektaren zurückzonen. Betroffen sind drei Standorte am Zonenrand, die noch nicht erschlossen sind. Einer ist besonders umstritten: das Gebiet «Weid». Der Kanton hat die Gemeinde dazu verknurrt, diese Fläche in Landwirtschaftsland umzuwandeln. Die Begründung: Das Land sei jahrelang nicht überbaut worden, es gebe daher wohl keinen Bedarf. Die Grundeigentümer sind verärgert, denn sie waren gar nicht in der Lage, das Land zu überbauen. Neben ihrem Grundstück liegt die Seetalbahn, und lange Zeit war unklar, ob die SBB ausbauen oder ihre Linienführung verändern würden. Das Areal wurde erst vor kurzem freigegeben und flugs im Richtplan ausgezont.

Zersiedelungsinitiative: Nationalrat dürfte das Begehren versenken

Die Initiative der Jungen Grünen will die Baulandreserven auf unbestimmte Zeit einfrieren. Trotz Sympathien für einen besseren Kulturland-Schutz dürfte die grosse Kammer das Volksbegehren wie auch den Gegenvorschlag heute deutlich versenken.

Zu radikal und landwirtschaftsfeindlich, lautete das Fazit der Mehrheit nach einer ersten Diskussion letzte Woche. BDP-Nationalrat Hans Grunder befürchtete gar, die ländlichen Gebiete würden zum Heidiland werden. Selbst Teilen der SP geht das Anliegen zu weit. (jus)

Auszonungen sind für die Gemeinden heikel: Müssen Grundeigentümer materiell entschädigt werden, kommt dies die Gemeinde teils teuer zu stehen. Es gilt also, von vornherein rechtlich abzuklären, ob sie kostenpflichtig sind. «Das schafft grosse Unsicherheiten, da sich die Rechtsprechung des Bundesgerichts ständig ändert», sagt Lukas Bühlmann, Direktor der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung. Finanziert werden Entschädigungen für ausgezontes Land durch einen Mehrwertausgleich. 20 Prozent der Wertsteigerung fliessen in einen kantonalen Fonds, wenn Bauernland neu dem Bauland zugeschlagen wird. Seit Einführung dieser Praxis sind im Kanton Aargau Forderungen in der Höhe von 8,5 Millionen Franken entstanden. Fällig werden sie aber erst, wenn der Eigentümer über eine Baubewilligung verfügt oder sein Land verkauft.

Unterstützung vermisst

In Hallwil ist man schlecht auf den Kanton zu sprechen: «Es hiess, wir hätten in den letzten Jahren nur ein moderates Wachstum gehabt», sagt eine gut informierte Quelle aus der Gemeinde. Doch Hallwil habe einen grossen Nachholbedarf. «In den letzten drei Jahren verzeichneten wir einen Bauboom.» Die Prognosen des Kantons seien daher viel zu tief angelegt. «Wir erreichen die vorausgesagte Einwohnerzahl in zwei bis vier Jahren statt erst in 15.» Für Kopfschütteln sorgt auch der Umstand, dass der Kanton seine fürs Gewerbe vorgesehenen Landreserven von 700 Hektaren nicht antastet. «Stattdessen nötigt man uns, Land herzugeben.» Die Strategie sei klar: Der Kanton wolle entlang der Verkehrsachsen wachsen, während die Seitentäler «eingefroren» würden.

Lukas Bühlmann macht zwei Trends in den Gemeinden aus: «Die einen erkennen die Zeichen der Zeit. Die anderen sehen sich in ihrer Entwicklung behindert.» Letzteren empfiehlt er, ihre Baulücken besser zu nutzen. «Viele horten Bauland.» Das neue RPG liefere Instrumente, um Eigentümer unter Druck zu setzen, ihre baureifen Grundstücke zu überbauen. Etwa, indem Gemeinden nach Ablauf einer Frist ein Kaufsrecht für die Parzelle erhalten. «Oft reicht dies schon aus, damit etwas passiert», sagt er. So könnten sich die Gemeinden trotzdem entwickeln.