Religionsfreiheit
Gekündigt, beschimpft, diskriminiert – nur wegen ihres Kopftuchs

Als die Muslimin Ilahije Asani beschloss, ein Kopftuch zu tragen, wird ihr wenig später gekündigt – und sie verliert die Stelle im Altersheim, das vom Staat geführt wird. Und das ist nur der Anfang: Sie erlebt von nun an zahlreiche Diskriminierungen.

Matthias Hug
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Was soll man tun, wenn man auf Grund seiner Religion diskriminiert wird, seinen Job verliert und keinen neuen findet? Genau vor dieser Frage stand Ilahije Asani.

Als zweijähriges Mädchen kommt sie mit ihren Eltern aus Mazedonien in die Schweiz. Sie besucht den Kindergarten, geht neun Jahre zur Schule, macht eine Anlehre als Näherin. Von ihrem Berner Akzent kann «TalkTäglich»-Moderator Markus Gilli nur schwärmen: «Gotthelf wäre stolz darauf!»

Sie ist zwar von Geburt an Muslimin, doch den Glauben entdeckt sie erst 2010, als sie mit ihrem dritten Kind schwanger ist. Nun beginnt sie, über den Islam zu lesen, öfters zu beten und entschliesst sich zu einem lebensverändernden Schritt: Sie will stets ein Kopftuch tragen.

Der Schritt ist freiwillig, betont sie im «TalkTäglich» auf «TeleZüri», wo sie am Mittwoch zu Gast war. Sie wolle die von Allah gegebene Weiblichkeit nur für ihren Mann aufbewahren. Seit sie das Kopftuch trage, werde sie nicht mehr belästigt. Sie fühlt sich sicherer. Doch es kommt auch ein bitterer Beigeschmack hinzu: Sie werde viel öfters diskriminiert und beleidigt, sagt sie.

Androhung der Kündigung

Zu dieser Zeit arbeitete Ilahije Asani noch in einem staatlichen Altersheim, in der Wäscherei. Als sie ihrer Chefin berichtet, dass sie nun ausserhalb ihrer Wohnung neu immer ein Kopftuch trägt, will diese ihr das ausreden. «Man trage doch auch keine Sennenkutte in islamischen Ländern», bekommt Ilahije Asani zu hören. Die Muslimin entgegnet nur, dass es auch dort Frauen gibt, die nicht verschleiert sind.

Ihre Chefin habe gesagt, sie müsse sich anpassen. Zudem habe noch niemand mit Kopftuch hier gearbeitet. Die gebürtige Mazedonierin verstand diese Argumente nicht: Nur weil sie ein Stück Stoff trägt, sei sie kein anderer Mensch? Ihre Gegenargumente waren sinnlos. Sie sei hier nicht mehr erwünscht, bekam sie zu hören. Das Heim drohte ihr mit der Kündigung.

Da sie im dritten Monat schwanger war, wäre die Kündigung vom Gesetz her nicht durchsetzbar. Ilahije Asani arbeitete noch bis in den achten Monat – mit Kopftuch. Mit Folgen: Ihre Mitarbeiterinnen mieden sie, tuschelten hinter ihrem Rücken und begannen sie zu mobben.

«Kopftuch oder Arbeitsstelle?»

Nach der Schwangerschaft wurde sie schliesslich vor die Entscheidung gestellt: «Kopftuch oder Arbeitsstelle?» Sie entschied sich für ihren Glauben, auch wenn ihr die Stelle sehr am Herzen lag.

Das dem Staat gehörende Heim machte kurz darauf seine Drohung wahr, Ilahije Asani erhielt einen Brief, in dem stand: «Wegen reorganisatorischen Gründen sind wir gezwungen, Ihnen die Kündigung zu erteilen.»

Auf eine Klage gegen das Heim verzichtete sie. Sie glaubte, dass dieses keine Chance hätte, denn kurz nach ihrer Kündigung sei das Arbeitsreglement angepasst worden: Angestellte, so stand darin, dürfen kein Kopftuch tragen.

Beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) wurde ihre Erfahrung bestätigt: Egal, wie gut man integriert sei, ein Kopftuch sei trotzdem oft unerwünscht, erzählt Ilahije Asani. Viele Frauen hätten ein ähnliches Problem.

Das musste sie nun selbst mehrmals erfahren: Bei zahlreichen erfolglosen Bewerbungsgesprächen erhielt sie immer wieder dasselbe Echo: Ihre Unterlagen und Zeugnisse seien zwar ohne Makel, aber sie trage halt ein Kopftuch...

Eine Erklärung für diese Ablehnung hat die dreifache Mutter nicht. Denn sie sieht sich nicht als Teil irgendeiner Parallelgesellschaft, sondern als vollwertig integriertes Mitglied der Schweizer Gesellschaft. Sie spricht ein fehlerfreies Schweizerdeutsch, ist nicht vom Sozialamt abhängig, hatte immer gearbeitet und hält sich an alle Regeln und Gesetze.

Ein muslimisches Modegeschäft

Nach zahllosen Absagen entschied Ilahije Asani sich zu einem neuen Versuch: Sie wollte eine Boutique mit muslimischer Mode eröffnen. Für sie war das ein Schritt gegen das System. «Ob das eine Art Kriegserklärung an die Gesellschaft sei?», fragte Moderator Markus Gilli. «Ja», antwortete sie.

Doch auch hier stiess sie auf Widerstände. Fast zwei Jahre lang suchte sie ein passendes Ladenlokal. Nach langem Hin-und-Her wurde ihr etwa beim Westside in Bern abgesagt. Begründung: Ihr Projekt «passe nicht in das Gebiet», erzählt Ilahije Asani. «Man wolle keine muslimischen Kleider, ansonsten laufen nur noch mehr damit herum.»

Ein Happy End gab es trotzdem: Ilahije Asani und ihr Mann entdeckten eine halbverfallene Schreinerei, bei dem sie zwar alles selber renovieren mussten, dann aber den Laden eröffnen konnten – es war die erste Boutique für islamische Mode in Bern.

Der Anfang war schwer, doch mittlerweile hat Ilahije sich einen guten Ruf erarbeitet. Jeden Tag kommen mehr Kunden.

Toleranz ist wichtig

Trotzdem: Die Islamophobie sei nach wie vor aktuell. Im Tram werde oft auf sie gezeigt. Kommentare wie «Geh zurück in dein Land!», muss sie sich anhören. Und sie kontert jeweils, etwa mit den Worten: «Ich bin hier zuhause!» Darauf reagieren die meisten überrascht, manche fliehen regelrecht.

Es sei aber bei weitem nicht jeder so, versichert sie. Viele hätten auch Verständnis für sie. «Jeder hat seine eigene Meinung und diese soll man akzeptieren», sagt sie. Aber gerade wenn in Schulen Kopftuchverbote ausgesprochen würden, findet sie «diese Unterdrückung sehr schade».