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Zurück an den Verhandlungstisch - mit einer Strategie: Der Aargauer FDP-Ständerat Thierry Burkart schreibt, wie es nach einem Aus für das EU-Rahmenabkommen weitergehen sollte. Ein Gastkommentar.
Die Verhandlungen über das Rahmenabkommen sind blockiert. Die Differenzen zwischen dem Bundesrat und der EU-Kommission über den Vertragstext sind zu gross. Das ist nicht überraschend, denn die EU war bei den jetzt noch strittigen Punkten, der Unionsbürgerrichtlinie, dem Lohnschutz und der Regelung der staatlichen Beihilfen, nicht verhandlungsbereit. Und der Bundesrat schrieb schon 2013 ins Verhandlungsmandat, dass dies «rote Linien» seien – trotzdem hat sie die Verhandlungsdelegation 2018 überschritten und die Position der EU mindestens teilweise akzeptiert.
Die bilateralen Verträge garantieren die Teilnahme am Binnenmarkt der EU. Die Unterzeichnung des Rahmenabkommens hat mit dieser Teilnahme nicht direkt zu tun, wäre aber ein politischer und rechtlicher Integrationsschritt in Richtung EU. Deshalb enthält das Rahmenabkommen die Verpflichtung zur Übernahme von EU-Recht, ein problematisches Streitbeilegungsverfahren mit dem Gericht der Gegenpartei, eine Überwachung der Schweiz durch die EU-Kommission und eine Ausweitung der Guillotine-Klausel, die neu sämtliche künftigen Verträge mit der EU umfasst. Es handelt sich eigentlich um einen EWR-ähnlichen Vertrag, aber ohne dessen Vorteile («EWR minus»).
Unser Verhältnis zur EU bleibt dessen ungeachtet selbstverständlich wichtig, und eine stabile Partnerschaft ist entscheidend. Vierzig Prozent unserer Exporte gehen in die EU, wir sind gleichzeitig der viertgrösste Handelspartner des Blocks. Beide Seiten haben ein Interesse an guten Beziehungen.
Seit Beginn der Gespräche zum Rahmenabkommen weigert sich die EU, das Abkommen über die technischen Handelshemmnisse zu aktualisieren. Die sogenannte «Erosion der bilateralen Verträge» findet nur in diesem der fünf Marktzugangsabkommen statt – und nur, weil die EU dies so will. Die Nichtaktualisierung bedeutet für einige Branchen, dass sie sich umstellen müssen. Sie müssen ihre Produkte wieder in der EU oder im Efta-Raum zertifizieren lassen und dort über einen Repräsentanten verfügen, genauso, wie wenn sie Produkte in die USA oder nach Asien exportieren. Das ist unschön und eine Vertragsverletzung durch die EU, aber mitnichten der Untergang der betreffenden Branchen. Die Medtech-Industrie, die Ende Mai als Erste davon betroffen sein könnte, hat sich bereits darauf eingestellt.
Das zweite anstehende Problem ist die Schweizer Beteiligung an der Forschungszusammenarbeit «Horizon Europe». Sollte die EU tatsächlich auf die von der Schweiz beschlossenen 6,3 Milliarden Franken für das Programm verzichten und unsere Spitzenuniversitäten zusammen mit jenen aus Grossbritannien oder Israel ganz oder teilweise ausschliessen, wäre das für beide Seiten sehr bedauerlich. Forschungszusammenarbeit mit Universitäten in der EU ist aber weiterhin möglich, einfach nicht mehr via das EU-Programm, Geld wäre ebenfalls vorhanden und eine Fokussierung auf Spitzenuniversitäten in den USA, Grossbritannien oder Israel statt auf das Programm der EU möglicherweise kein Nachteil.
Um die Beziehungen mit der EU konstruktiv weiterzuentwickeln, muss der vorliegende Abkommenstext vom Tisch. Erst dann lässt sich wieder auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Möglicherweise ergeben sich für die oben erwähnten zwei Themen rasch pragmatische Lösungen.
Der weitere Weg könnte im Sinne einer Vorwärtsstrategie auf fünf Säulen fussen: