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Schweiz
Der Bundesrat steht am Montag vor dem Showdown zum Rahmenabkommen. Julie Cantalou und Darius Farmann von der Denkfabrik Foraus zeigen auf, welche Alternativen das Land hat - und was deren Mängel und Vorzüge sind.
Die hitzigen Debatten über das institutionelle Rahmenabkommen (InstA) leiden unter einem chronischen Problem. Sie ignorieren, dass die Alternativen zum InstA begrenzt sind. Es ist sinnlos, die Mängel und Vorzüge eines Szenarios zu bewerten, ohne sie mit anderen zu vergleichen. Der Schweiz stehen grundsätzlich sechs Alternativen zur Verfügung.
Im Vergleich zur aktuellen Situation stellen drei dieser Alternativen einen Rückgang des Integrationsgrades der Schweiz in das europäische Geflecht dar, während die anderen drei zu mehr Integration führen. Je mehr Autonomie die Schweiz hat, umso weniger wird sie von der Zusammenarbeit mit Europa profitieren und umgekehrt.
Inhaltsverzeichnis
Diese Option bedeutet das Ende der bilateralen Verträge und die Rückkehr zum Freihandelsabkommen von 1972. Bei maximaler Autonomie wäre nur noch eine sehr begrenzte Zusammenarbeit möglich.
In diesem Szenario würde der bilaterale Weg zu Gunsten einer Modernisierung des Freihandelsabkommens von 1972 aufgegeben. Eine Aktualisierung des Abkommens von 1972 könnte sich an den Abkommen der EU mit Staaten wie dem Vereinigten Königreich, Kanada oder der Ukraine orientieren.
Diese Alternative schliesst die Personenfreizügigkeit aus und entspricht einem signifikanten Verlust beim Marktzugang. Viele Bereiche der Zusammenarbeit, wie etwa die Schengen- und Dublin-Abkommen, müssten aufgegeben werden.
Die Schweiz wählt bewusst diese Alternative, solange sie nichts unternimmt. Die EU lehnt den Abschluss neuer und die Aktualisierung bestehender Abkommen ab. Solange keine zufriedenstellende Lösung im institutionellen Dossier vorliegt – selbst wenn die Schweiz bereit wäre, den Kohäsionsbeitrag zu erhöhen oder einzelne Bestimmungen des InstA einseitig umzusetzen. Die Folge dieser Blockade wäre der langsame Verfall des bilateralen Wegs: mangelnde Börsenäquivalenz, erschwerter Zugang der Schweiz zu europäischen Forschungsprogrammen, zunehmende technische Handelshemmnisse für die Schweizer Industrie.
Neue Abkommen warten für ihre Finalisierung nur noch auf die Auflösung der Blockade, insbesondere in den Bereichen Strom und Gesundheit. Je mehr die Schweiz zögert, umso grösser das Risiko, dass diese Alternative sich zu einem Szenario entwickelt, in dem die Zugeständnisse des bilateralen Wegs (z. B. die Personenfreizügigkeit) ohne die Vorteile (uneingeschränkter Marktzugang, Teilnahme an EU-Programmen) bestehen.
Diese Alternative bleibt bis heute das offizielle Ziel des Bundesrats. Dies erfordert die Annahme eines institutionellen Rahmenabkommens. Seit zwei Jahrzehnten hat keine grössere Reform des bilateralen Wegs stattgefunden. Infolgedessen ähnelt das bilaterale Verhältnis zunehmend einer veralteten Smartphone-App, die ohne Update des Betriebssystems nicht mehr funktioniert.
Die Schweizer Bevölkerung könnte von der Zusammenarbeit mit der EU in vielen Bereichen profitieren, wie z. B. Forschung, Digitalisierung, Umwelt und Telekommunikation. Varianten zum InstA sind möglich, etwa durch eine Anbindung an den EFTA-Gerichtshof anstelle des EuGH, allenfalls mit einer/m Schweizer Richter/in des EFTA-Gerichtshofs. Doch diese Varianten müssen sowohl auf Schweizer wie auf europäischer Seite politisch realistisch bleiben.
Eine Rückkehr zur Alternative von 1992 – dem EWR-Beitritt, welcher damals von 50,3% des Stimmvolks abgelehnt wurde – ist weiterhin möglich. Im Vergleich zum Rahmenabkommen würde dies den sektoriellen Ansatz der Bilateralen beenden, da das europäische Binnenmarktrecht vollständig übernommen werden müsste (einschliesslich der Unionsbürgerrichtlinie).
Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union wäre eine maximale Integration, unabhängig davon, ob es sich um eine Vollmitgliedschaft oder eine Mitgliedschaft light handelt (z. B. ohne den Euro).
Die Schweizerinnen und Schweizer haben ihr Bekenntnis zum bilateralen Verhältnis mehrfach wiederholt. Weder der Alleingang noch eine Mitgliedschaft im EWR oder der EU scheinen die Gunst der Mehrheit gewinnen zu können. In diesem Sinne ist das institutionelle Rahmenabkommen ein typisch schweizerischer Kompromiss. Wir sollten nicht auf eine magische Lösung hoffen, falls das InstA scheitert. Selbstverständlich kann man eine Alternative bevorzugen. Dies jedoch nur unter der Bedingung, dass ihre Nachteile akzeptiert werden – ganz nach dem Sprichwort, man kann nicht «ds Föifi und ds Weggli ha».