Nora Illi ist die Frau von IZRS-Mitbegründer Quasiim Illi – und offiziell die Frauenbeauftragte des islamischen Zentralrats. Doch wer ist die Person hinter dem Schleier?
Jessica Pfister
Wer Nora Illi auf der Strasse begegnet, kann weder ihr Alter abschätzen, noch ihre Herkunft. Denn die Muslima verhüllt ihr Gesicht mit einem Niqab, einem schwarzen Gesichtsschleier, der nur einen kleinen Schlitz für ihre Augen freilässt. Umso überraschender dann ihre Stimme: Sie klingt jung und vor allem schweizerisch - Zürcher Dialekt.
Tatsächlich ist Nora Illi erst 26 Jahre alt, in der Schweiz geboren und aufgewachsen und lebt heute in Bern. 2003 ist die damals 19-jährige Polygrafin zum Islam konvertiert. «Ich bin mit meinem Vater viel gereist, auch in arabische Länder. Als ich dort zum ersten Mal den Gebetsruf gehört habe, war ich so berührt, dass ich mich näher mit dem Islam befassen wollte», sagt Illi. Nach dem sie unzählige Bücher gewälzt und ihre Kontakte zu Muslimen vertieft hatte, war für die religionslos erzogene junge Frau klar: «Der Islam ist für mich die einzige praktikable Religion.» Im selben Jahr heiratete sie den ebenfalls zum Islam übergetretenen Schaffhauser Quasiim Illi. Mit dem 28-jährigen Mitgründer und Pressesprecher des Islamischen Zentralrats (IZRS) hat sie vier Kinder im Alter von drei Monaten bis zu vier Jahren.
Fünf Mal täglich beten
«Wir leben in unserer Familie einen normativen Islam, dass heisst wir praktizieren mit unseren Kindern Riten wie beispielsweise das Gebet fünf mal täglich oder gehen am Wochenende gemeinsam in die Moschee», sagt Illi. Auf der anderen Seite akzeptiere man die Schweizer Gesellschaftsnormen und die Bundesverfassung.Neben einer guten Erziehung ihrer Kinder hat die 26-Jährige ein weiteres Ziel: Sie will den muslimischen Frauen unter die Arme greifen. Am Sonntag wurde sie an der Generalversammlung des IZRS einstimmig zur Vorsteherin des neu geschaffenen Departements für Frauenangelegenheiten gewählt. «Ich war von Anfang an beim IZRS als Passiv-Mitglied dabei und deshalb war klar, dass ich mich als muslimische Frau und Mutter für die Frauen engagiere.»
Das Departement sei nötig, weil viele Muslimas und Schweizerinnen Fragen zum Islam haben. Diese gingen von der Religion allgemein über das Kopftuch bis zum Schwimmunterricht. Gewalt hingegen sei kein Thema: «Im Koran ist Gewalt in der Ehe verboten», so Illi, die die Fragen telefonisch oder per Mail von zu Hause aus beantwortet. Sie selbst befürwortet muslimische Schulen, weil dort die Lehre des Korans und der Arabischunterricht eingebunden seien und die Kinder diese nicht wie jetzt nach dem normalen Unterricht pauken müssen. «Das hat nichts mit einer Parallelgesellschaft zu tun, es gibt ja schliesslich auch katholische Schulen.»
Genauso klar ist für sie, dass ihre drei Mädchen keinen gemischten Schwimmunterricht besuchen: «Wenn dann im Burkini», sagt sie. Was das Kopftuch oder den Schleier angeht, will sie den Töchtern die Entscheidung überlassen. «Wenn sie ihre Menstruation bekommen müssen sie dieses Abkommen mit Allah selbst ausmachen». Sie sehe heute den Gesichtsschleier nicht als Pflicht, aber als einen wichtigen Bestandteil des islamischen Kultus. Deshalb wolle sie auch nicht verraten ob sie, wie ihre kleine Tochter auf dem Bild, blonde Haare unter dem Kopftuch trägt.
«Diese Frau greift uns massiv an»
Auch zu einem persönlichen Treffen war Illi nicht bereit - «das ist schwierig wegen der Kinder». Scheu wirkt die 26-Jährige am Telefon aber nicht. Sie spricht klar und ist wortgewandt. Nur einmal erhebt sie die Stimme: Als es um die Anschuldigungen von Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, geht. Diese wirft den Mitgliedern des Zentralrats vor, verblendet und radikal gegenüber ihrer Umwelt zu sein. «Diese Frau greift uns massiv an und akzeptiert in keiner Weise unsere Haltung», ärgert sich Illi. Offenbar müsse Keller-Messahli so scharf schiessen, weil sie sich vom Zentralrat bedroht fühle. «Sie sieht wie viel Zuspruch wir von Muslimen verschiedenster Ausrichtungen erhalten.»
Würde das Raclette vermissen
Doch nicht nur wegen solcher Kritik fühlt sich Illi in der Schweiz momentan nicht wohl: «Seit dem Ja zur Minarett-Initiative werde ich täglich beleidigt, sogar angespuckt.» Dabei würde sie sich wünschen, dass Menschen auf sie zukommen und fragen stellen. «Nur so kann ich Missverständnisse aus der Welt schaffen.» Auswandern kommt für die 26-Jährige aber nicht in Frage. «Zum einen studiert mein Mann hier und zum anderen würde ich die Berge und das Raclette vermissen.»