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Schweiz
Der Bundesrat will bis am nächsten Mittwoch warten, bevor er weitere Verschärfungen beschliesst. Das beschert ihm harsche Kritik von Wissenschaftlern, die ihn bei der Bewältigung der Pandemie beraten.
Die Covid-19-Taskforce sei zu handzahm, kommentierte diese Zeitung vor knapp zwei Wochen. Sie unterlasse es den Behörden und der Öffentlichkeit zu sagen, welche Massnahmen es jetzt bräuchte. Tempi passati. Auf Twitter schiessen einzelne Mitglieder scharf gegen die politische Führung des Landes.
Dass der Bundesrat an seiner Mittwochsitzung keinen rigideren Coronakurs verhängte und bis nächste Woche abwarten will, wie sich die jüngsten Massnahmen auswirken, kann Christian Althaus nicht verstehen. Auf Twitter kritisierte der Professor für Epidemiologie an der Universität Bern: Es braucht mindestens zwei Wochen, bis die Wirkung einer Massnahme ersichtlich ist. Nächsten Mittwoch sieht man also sowieso noch nichts. Was soll dieses sinnlose Zuwarten?
«Frustrierend», twitterte der Berner Epidemiologieprofessor Matthias Egger, der die Taskforce früher präsidierte. Der Grund: Schon im Sommer, als die Fallzahlen wieder exponentiell anstiegen, rief die Taskforce zu sofortigem Handeln auf. Anfang Juli zeigte sie sich alarmiert und richtete dringende Empfehlungen und Massnahmen an Politik und Bevölkerung, zum Beispiel Clubs, Discos und Bars zu meiden. Die Basler Epidemiologin Emma Hodcroft bezeichnete Kurzlockdowns in einem Tweet als gute Möglichkeit, die Verbreitung des Virus einzudämmen, wenn die Situation aus dem Ruder läuft. «Genau», kommentierte Egger. Der Bundesrat prüft derzeit solche Minilockdowns.
5256 new #Covid19 cases today, test positivity 20%. Could this situation have been prevented?
— Matthias #WashYourHands Egger (@eggersnsf) October 22, 2020
Time to look back at the recommendations of the @SwissScience_TF.
A few quotes from key policy briefs follow below (a thread):
All policy briefs available here: https://t.co/xzte5DRCMu pic.twitter.com/No1GhQmpZQ
Nicola Low, Professorin für Epidemiologie an der Universität Bern, twitterte an die Adresse von Bundesrat Alain Berset und Lukas Engelberger, den Präsidenten der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren: «Die Fallzahlen stiegen schon im Sommer exponentiell. Sie steigen jetzt exponentiell, weil wir damals nicht gehandelt haben.» Christian Althaus wundert sich derweil über Justizministerin Karin Keller-Sutter, die gemäss dem «Tages-Anzeiger» zuerst wissen will, welche Kosten die einzelnen Lockdown-Varianten verursachen: «Ähm, hätte der Bundesrat nicht sechs Monate Zeit, diese Rechnungen anzustellen?»
Ähm, hatte der Bundesrat nicht sechs Monate Zeit um diese Rechnungen anzustellen? https://t.co/tBlDFcWgB4
— Christian Althaus (@C_Althaus) October 23, 2020
Am Freitag vermeldet das Bundesamt für Gesundheit 6634 laborbestätigte Neuinfektionen und 117 weitere Spitaleinweisungen. Um 14 Uhr informierten Experten des Bundes zur aktuellen Lage. Um 12 Uhr liess die Zürcher Regierung verlauten, dass sie vorderhand keine eigenen Verschärfungen beschliesst.