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Schweiz
Erstmals legt die Regierung einen Plan für die nächsten Monate vor. Wer auf rasche Lockerungen hoffte, wird enttäuscht: Restaurants beispielsweise bleiben bis mindestens Ende Mai geschlossen. Neun Fragen und Antworten zum Bundesratsentscheid.
Nach dem jüngsten Öffnungsschritt nimmt der Bundesrat den Fuss wieder vom Gaspedal: Bis Ende Mai seien weitere Lockerungen kaum möglich, kündigte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch an. Er präsentierte ein Drei-Phasen-Modell zum Ausstieg aus der Krise: Die Massnahmen sollen parallel zum Impffortschritt gelockert werden. Die Vorschläge gehen nun in Konsultation zu den Kantonen.
Wie lange die drei Phasen dauern, hängt von der Impfbereitschaft in der Bevölkerung und der Impfkampagne ab. Und natürlich davon, ob genügend Impfstoff geliefert werden kann. Berset hält eine Normalisierung im Sommer für möglich, doch er sagte auch:
«Es gibt keine Abkürzung in einer Pandemie. Wir müssen den ganzen Weg gehen.»
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In der ersten Phase, der so genannten Schutzphase, werden keine weiteren Lockerungen ins Auge gefasst. Bis mindestens 26. Mai dürften die derzeitigen Massnahmen gelten, also zum Beispiel die Homeoffice-Pflicht. Auch die Innenräume der Restaurants bleiben geschlossen. Die Regierung wird am 12. Mai eine Auslegeordnung vornehmen und allenfalls ein Öffnungspaket in die Konsultation schicken.
Der Bundesrat behält sich vor, bei steigenden Infektionszahlen neue Massnahmenverschärfungen zu prüfen und gegebenenfalls zu beschliessen. Er hat zur Beurteilung der epidemiologischen Lage Richtwerte für allfällige Verschärfungen definiert. Bundesrat Berset wies auch darauf hin, dass die Kantone stets Massnahmen anordnen können, die über jene des Bundes herausgehen.
Während der zweiten Phase («Stabilisierungsphase») soll die gesamte erwachsene Bevölkerung Zugang zur Impfung erhalten. Der Bund rechnet damit, dass die vollständige Impfung der erwachsenen Bevölkerung bis Ende Juli 2021 abgeschlossen ist. Lockerungen, etwa die Aufhebung der Homeoffice-Pflicht, sind möglich. Auch Grossveranstaltungen sowie die Öffnung von Restaurants können in dieser Phase wieder in Betracht gezogen werden, falls die Fallzahlen, die Hospitalisierungen und die Belegung der Intensivstationen stabil sind.
Hat die Durchimpfungsrate rund 40 bis 50 Prozent erreicht, soll ein selektiver Zugang für Geimpfte, Getestete und Genesene eingeführt werden. Zum Nachweis wird derzeit ein einheitliches, fälschungssicheres und leicht überprüfbares Zertifikat entwickelt (Covid-Zertifikat). Berset betonte, dass der Bund beim Zugang zum Service Public keine Einschränkungen mache; Privaten sei dies aber erlaubt.
Mit dem Zertifikat soll eine Person nachweisen können, dass sie geimpft ist, die Krankheit durchgemacht hat oder soeben negativ getestet wurde. Private Organisatoren wie etwa Konzertveranstalter könnten von ihren Besuchern verlangen, dass sie ein solches Zertifikat vorlegen. Laut Berset soll es im Juni lanciert werden soll, allerdings zunächst nur für Geimpfte. Kurze Zeit später sollen auch vergangene Covid-19-Erkrankungen und negative Tests registriert werden können.
Wenn alle Erwachsenen, die das wollen, geimpft sind, beginnt die Rückkehr zur Normalität («Normalisierungsphase»). Voraussichtlich soll das ab August der Fall sein. Die Massnahmen sollen schrittweise aufgehoben werden – und zwar auch dann, wenn die Impfbereitschaft tief ist. Starke gesellschaftliche und wirtschaftliche Einschränkungen seien dann nicht mehr zu rechtfertigen, sagt der Bundesrat. Das Virus werde aber weiterhin zirkulieren. Droht eine Überlastung des Gesundheitssystems, könnte der Bundesrat Massnahmen wie die Maskentragpflicht erneut anordnen – allerdings nur für Personen, die kein Covid-Zertifikat vorweisen können.
Unter 16-Jährige können sich derzeit nicht impfen lassen. Das sei ein Teil der Problematik in den nächsten Monaten, räumte Berset ein. Er ging davon aus, dass im Frühherbst Impfungen zunächst für Jugendliche und dann auch für Kinder zugelassen werden könnten. Alle unter 16-Jährigen können sich in den nächsten Monaten also nicht mit einer Impfung schützen. Zu Veranstaltungen, bei denen ein Covid-Zertifikat verlangt wird, sollen sie aber Zugang erhalten.
Dass der Bundesrat Perspektiven aufzeigt, kommt gut an. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse etwa erklärt, mit den klar definierten Phasen erhielten die betroffenen Branchen eine klarere Perspektive. Gleichzeitig fordert Economiesuisse eine rasche Einführung des Impfzertifikats und eine Beschleunigung der Impfkampagne. Ähnlich äussert sich auch der Arbeitgeberverband. Keine Freude haben Arbeitgeberverband und Economiesuisse hingegen am bundesrätlichen Festhalten an der Homeoffice-Pflicht bis mindestens am 26. Mai.
«Bitter enttäuscht» zeigt sich Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse in einer Mitteilung. Das Gastgewerbe werde benachteiligt. Wer keine Terrasse habe, müsse je nach dem bis Ende Juli oder noch länger mit einem faktischen Berufsverbot rechnen: «Das ist dramatisch und eine Willkür». Der Verband fordert ein sofortiges Ende des «Branchenlockdowns» und die Öffnung der Innenräume.