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Schweiz
Der Nationalrat ist im Grundsatz zwar für die Liberalisierung der Fortpflanzungsmedizin, hat sich mit 108 zu 79 Stimmen bei 4 Enthaltungen aber gegen sogenannte Retterbabys ausgesprochen.
Mit der so genannten HLA-Typisierung können im Reagenzglas gezeugte Embryos vor der Einpflanzung in den Mutterleib darauf untersucht werden, ob sie immunkompatibel mit einem erkrankten Geschwister sind und diesem beispielsweise mit einer Blutstammzellenspende helfen könnten. Ohne Test stehen die Chancen dafür bei rund 25 Prozent.
Unter Umständen müssen mehrere Befruchtungszyklen durchgeführt werden, bis der passende Gewebetyp gefunden ist. Gesunde Embryos werden bei den Verfahren vernichtet. Die Fraktionen waren in der Frage der Retterbabys gespalten, die Skepsis überwog aber.
"Ist alles, was medizinisch machbar ist, gesellschaftlich auch wünschbar?", fragte Christian Lohr (CVP/TG). Ein als Retterbaby gezeugtes Kind sei nicht mehr Selbstzweck, es komme zum Zweck der Stammzellenspende zur Welt - mit entsprechenden psychologischen Folgen. "Die Weichen sind deutlich auf Selektion gestellt", warnte Lohr.
Auch Maya Graf (BL) verlangte namens der Grünen, dass Kinder "nie zu einem bestimmten Zweck" geboren werden dürften. Matthias Aebischer (SP/BE) sprach von "Ersatzteillager für Geschwister". Wer allerdings selber ein erkranktes Kind habe oder ein solches kenne, zögere nicht lange.
Er könne sich nicht vorstellen, betroffene Eltern sich selber zu überlassen oder sie an ausländische Kliniken zu verweisen, nur weil der Schweiz der Mut für eine Liberalisierung fehle, sagte Fathi Derder (FDP/VD). Auch die Grünliberalen sprachen sich für die Zulassung von Retterbabys aus.
Für die SVP jedoch war diese Art der Selektion jedoch nicht akzeptabel. Christoph Mörgeli (ZH) sprach von einem "Pièce de résistance": Die SVP werde die ganze Vorlage ablehnen, wenn der Nationalrat Retterbabys zulasse.
Auch die CVP zog eine "rote Linie". Beim Retterbaby gehe es nicht darum, ein gesundes Embryo auszuwählen, sondern jenes, das zum Geschwister passe, sagte Kathy Rickli (ZH). "Es geht um eine Selektion nach bestimmten Eigenschaften."
Dies entspricht der Haltung des Bundesrats: Die Motive seien gut und nachvollziehbar, doch seien Retterbabys ein erster Schritt hin zur Eugenik, sagte Gesundheitsminister Alain Berset.
Mit der Ablehnung von Retterbabys stellt sich der Nationalrat gegen die Anträge seiner Kommission und folgt Bundesrat und Ständerat. Schon die Kommission der kleinen Kammer hatte sich mit ihren Anträgen im Plenum nicht durchsetzen können.