Der Journalist Karl Wild will nicht sagen, wer ihm die Akte Nef zugespielt hat. So viel ist aber klar: Der Polizist Fredi Hafner war nicht der Informant, der den Medien im Fall Nef brisante Akten zuspielte Nun zwingt das Gericht Wild, die Quelle offenzulegen. Andernfalls droht das Gefängnis.
Martin Rupf
Der Fall geht auf den Sommer 2008 zurück, als die «SonntagsZeitung» brisante Polizei-Dokumente veröffentlichte. Diese belegten, dass der damalige Armeechef Roland Nef seine Ex-Partnerin aufs Übelste belästigt hatte. Im Dezember 2008 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Zürcher Stadtpolizisten Fredi Hafner.
Er soll der «SonntagsZeitung» die Akte Nef zugespielt haben. Das Zürcher Bezirksgericht verurteilte Hafner letzten April denn auch in erster Instanz zu einer bedingten Geldstrafe wegen Amtsgeheimnisverletzung. Nächsten Montag steht nun der Berufungsprozess vor dem Obergericht an – theoretisch.
Journalisten dürfen schweigen
Wie der «Tages-Anzeiger» gestern schrieb, droht das Zürcher Obergericht Hafners Kronzeugen – dem «SonntagsZeitungs»-Journalisten Karl Wild – mit Beugehaft. Wilds Anwalt wiederum kontert und verlangt die Auswechslung der Richter.
Was war passiert? Nachdem Hafner in erster Instanz verurteilt worden war, entschied sich Karl Wild als Zeuge zugunsten des Polizisten auszusagen. Aus dem Beweisantrag geht hervor, dass Karl Wild die Dokumente nach eigener Aussage nicht von Hafner erhalten hat.
Wild will aber weiterhin nicht sagen, woher er die Dokumente hat, und beruft sich dabei auf den Quellenschutz. Demnach haben Medienschaffende das Recht, Aussagen über die Quelle ihrer Informationen zu verweigern, ausser es geht um eine schwere Straftat. Das Obergericht kontert nun: Wild könne nicht einerseits Hafner entlasten und sich anderseits auf den Quellenschutz berufen. Es geht sogar noch weiter und droht Wild mit Beugehaft, sollte er auf der Verweigerung der Aussage beharren.
Unverständnis bei Medienjuristen
Dieser Argumentation kann Medienrechtler Franz Zölch nicht folgen. Das Redaktionsgeheimnis in der Bundesverfassung und der daraus abgeleitete Quellenschutz seien umfassend. «Das Zeugnisverweigerungsrecht ist ein Recht des Journalisten und keine Pflicht. Folglich kann er entscheiden, in welchem Umfang er von seinem Recht Gebrauch machen will», so Zölch. «Dabei geht es nicht allein um den Informanten, sondern um den Schutz des Redaktionsgeheimnisses, das dazu dient, Missstände im öffentlichen Interesse durch die Medien aufzudecken.»
Auch Medienanwalt Matthias Schwaibold schüttelt über das Obergericht nur den Kopf. Das Prinzip «Alles oder nichts» gelte beim Quellenschutz nicht. «Karl Wild kann Hafner sehr wohl entlasten, ohne die wahre Quelle zu nennen.»
Bundesgericht soll entscheiden
Für Karl Wild ist klar, dass er sich dem Druck nicht beugen wird. «Das Vorgehen des Obergerichts grenzt an Arroganz.» Das Gericht könne doch nicht mit Beugehaft drohen, wenn in der Sache gar keine Rechtssicherheit bestehe. Will heissen: Bisher hat noch kein Gericht in einem analogen Fall entschieden. Wild ist denn auch gewillt, die Sache bis vor Bundesgericht zu ziehen. Dass das Gericht die Glaubwürdigkeit von Wild anzweifelt, sollte er die Aussage verweigern, hält sein Anwalt Bruno Steiner für absurd. Entweder man glaube dem Zeugen oder nicht. «Tut es das Gericht nicht, müsste es bei einem Schuldspruch Hafners konsequenterweise auch Wild wegen Falschaussage verurteilen.»
Schweigen könnte negativ sein
Kritisch äussert sich auch Dominique von Burg, Präsident des Presserats. «Wenn es nicht Fredi Hafner war, dann muss Wild ihn entlasten.» Die einzige Gefahr sieht von Burg in einem Umkehrschluss für künftige Fälle. «Sagt ein Journalist einfach nichts und entlastet einen Verdächtigen nicht ausdrücklich, besteht die Gefahr, dass der Verdächtige als Schuldiger gilt.» Deshalb glaubt von Burg: «Wahrscheinlich wäre eine konsequente Zeugnisverweigerung das Beste, ausser wenn die Folgen für den Angeklagten zu schwer wiegen sollten. »