Die Rapperin hat mit einer Geldüberweisung an ihr Opfer erreicht, dass das Strafverfahren gegen sie eingestellt wird. Mehrere Juristen beurteilen diesen Ablasshandel kritisch.
Loredana, die erfolgreichste Musikerin der Schweiz, hat eine Straftat begangen, wird aber nicht bestraft. Sie kauft sich die Unschuld mit einer Wiedergutmachung von 609'000 Franken. Der Staatsanwalt hat das Verfahren eingestellt, weil dies dem Opfer zugutekomme und kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestehe.
Bei dieser Beurteilung stützt er sich auf einen Aufsatz, den der ehemalige Zürcher Staatsanwalt Hans Maurer geschrieben hat. Dieser stuft die Einstellung auf Anfrage als «grenzwertig» ein. Die Deliktsumme sei beträchtlich und es handle sich nicht um ein Kavaliersdelikt. Der Wiedergutmachungsartikel sei aber «gummig» formuliert, weshalb jeder Staatsanwalt seine eigenen Überlegungen anstellen müsse: «Das kann man nicht messerscharf festlegen.»
Andreas Brunner, ehemaliger Zürcher Oberstaatsanwalt, ist der bekannteste Kritiker des Wiedergutmachungsartikels. Dieser sei ein Ablasshandel, von dem reiche Täter profitieren würden. Zum Fall Loredana sagt er: «Juristisch ist die Einstellungsverfügung aus meiner Sicht sehr sorgfältig und in Ordnung. Strafrechtsethisch sehe ich sie aber als Problem.»
Loredana hat Glück. 2019 wurde der Wiedergutmachungsartikel verschärft. Vorher kam er nur bei bedingten Freiheitsstrafen von höchstens zwei Jahren in Frage. Inzwischen wurde die Hürde auf höchstens ein Jahr gesenkt. Loredana profitiert vom milderen Recht, weil ihre Abzockerei vorher stattgefunden hat. Brunner sagt:
«Nach neuem Recht wäre eine Einstellung nicht mehr möglich, weil im Fall Loredana eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr angemessen erscheint.»
Es gibt auch Juristen, die kein Verständnis für den Deal haben. Der Luzerner Anwalt Ruedi Portmann sagt: «Die Staatsanwaltschaft ist vor dem Namen und dem Bekanntheitsgrad der Beschuldigten eingeknickt.» Es bestehe sehr wohl ein öffentliches Interesse nach einer Strafverfolgung. Nun gelte aber:
«Die Grossen lässt man laufen, die Kleinen werden bestraft.»