Fall «Carlos»
Wie weiter mit dem schwierigsten Häftling der Schweiz? Das Bundesgericht bestätigt das Sondersetting, aber nicht mehr lange

Brian K. alias «Carlos» sitzt in einer Justizvollzugsanstalt für verurteilte Straftäter. Dabei sollte er eigentlich in einem Untersuchungsgefängnis untergebracht sein, wo die Unschuldsvermutung gilt.

Andreas Maurer
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Brian auf Sendung: Interview mit der «Rundschau» im Dezember 2020.

Brian auf Sendung: Interview mit der «Rundschau» im Dezember 2020.

Screenshot SRF

Brian K. wurde vor acht Jahren durch eine Reportage des Schweizer Fernsehens als jugendlicher Straftäter unter dem Pseudonym Carlos bekannt. Die Sendung führte zum Abbruch seines damaligen Sondersettings, weil es wegen monatlicher Kosten von 29'000 Franken skandalisiert wurde. Brian war damals 17 Jahre alt.

Inzwischen ist er 25 und sitzt in einem neuen Sondersetting. Der Kanton Zürich hat in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies extra für ihn einen Spezialtrakt gebaut. Kostenpunkt: 1,85 Millionen Franken. Darin befinden sich Einzelzellen, aus denen Brian durch ein Schleusensystem in den Spazierhof geführt werden kann. Dies soll den Personalaufwand minimieren. Früher wurde er jeweils von acht Beamten in den Spazierhof eskortiert. Die neue Unterbringung hat die Erwartungen allerdings nicht erfüllt. Schon am ersten Tag gelang es Brian K., sie zu demolieren.

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Es gibt aber auch ein juristisches Problem. Eigentlich verstösst die Unterbringung in dieser Anstalt gegen die Strafprozessordnung. Verurteilte und Nichtverurteilte sollten nämlich getrennt untergebracht sein.

Brian erhebt Beschwerde und verliert

Derzeit sitzt Brian K. hinter Gittern, weil ein weiteres Strafverfahren gegen ihn läuft. Es geht um Prügeleien mit Aufsehern. Ein Urteil liegt nicht vor, es gilt die Unschuldsvermutung. Deshalb sollte Brian eigentlich nicht wie ein Straftäter in einer Strafvollzugsanstalt untergebracht sein, sondern wie ein potenziell Unschuldiger in einem Untersuchungsgefängnis.

Brian hat verlangt, dass er aus seiner teuren Spezialzelle entlassen und in ein Untersuchungsgefängnis verlegt werde. Nun hat das Bundesgericht die Beschwerde abgewiesen. Es bestätigt zwar, dass die Haftbedingungen «sehr restriktiv» seien. Brian ist 23 Stunden pro Tag eingeschlossen. Doch in diesem Fall sei eine Ausnahme zulässig, da schlicht keine gleichwertige Alternative existierte.

Gewaltausbruch alle 17 Tage

Das Sondersetting in der Pöschwies rechtfertigt das Bundesgericht mit der «Gefahrenlage». Brian geht gemäss dem Gericht immer wieder auf Aufseher los. In 17 Monaten Haft seien 30 Vorfälle mit teilweise erheblicher Gewalt rapportiert worden. Brian sei deswegen mit 320 Arresttagen diszipliniert worden.

Zwischenzeitlich versuchten die Behörden auch, Brian in einem anderen Gefängnis, in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg, unterzubringen. Nach einer kurzen Entspannung sei die Situation aber auch dort wieder eskaliert und Brian habe Personal angegriffen.

Die Warnung des höchsten Gerichts

Dennoch äussert das Bundesgericht auch Verständnis für Brian und spricht gegenüber dem Zürcher Justizvollzug eine Warnung aus. Auf Dauer sei die aktuelle Unterbringung nicht gerechtfertigt. Die Haftbedingungen müssten zukünftig gelockert werden. Das Bundesgericht sei sich zwar bewusst, dass der Fall besondere Anforderungen stelle. Das höchste Gericht schreibt:

«Der Rechtsstaat darf sich dieser Herausforderung und Verantwortung jedoch weiterhin nicht entziehen.»

Für Zürich ist das ein Problem. Die Behörden sind davon ausgegangen, mit den 1,85 Millionen Franken eine dauerhafte Lösung für ihren schwierigsten Häftling gefunden zu haben.