Abstimmung
Experten erklären: So wirkt sich die Rentenreform für Pensionäre von heute und morgen aus

Am 24. September stimmt die Schweiz über die Rentenreform ab. Betroffen sind nicht nur Betagte: Die Reform sieht Massnahmen für alle Generationen vor – ein Überblick.

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Der AHV-Zustupf von 70 Franken pro Person betrifft nicht die bisherigen Rentner, sondern nur die neuen.

Der AHV-Zustupf von 70 Franken pro Person betrifft nicht die bisherigen Rentner, sondern nur die neuen.

OM / keystone

Die Zukunft der Schweizer Pensionskassen steht vor grossen Herausforderungen: In den nächsten 30 Jahren geht eine grosse Zahl Erwerbstätige aus einer geburtenstarken Generation – den sogenannten Babyboomern – in Pension. Eine stetig steigende Lebenserwartung führt dazu, dass die Rentner länger Leistungen aus der AHV und aus der Pensionkasse beziehen werden.

Gleichzeitig sind die Zins- und Vermögenserträge auf einem tiefen Niveau. Zusammengefasst heisst das: Weniger Erwerbstätige müssen mehr Pensionierte mit tieferen Vermögenserträgen finanzieren. Das hat Folgen - für die Pensionierten von heute und morgen, wie Experten im Video erklären:

Was bedeutet die Rentenreform für einen Mann, der im nächsten Jahr 35 Jahre alt ist? Experte Michael Mathys erklärt:

Auch ein 35-Jähriger ist von zusätzlichen Beiträgen an die AHV betroffen. Auf der einen Seite durch zusätzliche Lohnprozente, auf der anderen Seite durch höhere Mehrwertsteuer-Abgaben. Das heisst: Er wird bei einem geringeren Lohn mehr Ausgaben haben.

Im Rahmen der Pensionskasse kann laut Michael Mathys, Niederlassungsleiter Vermögenszentrum Aarau, zwischen 35 und 55 Jahren zusätzlich ein Lohnprozent mehr angespart werden. Von Übergangsmassnahmen kann diese Generation allerdings nicht profitieren. Auch eine Prognose, wie es in 30 Jahren aussieht, sei schwierig.

Was bedeutet die Rentenreform für einen Mann, der im nächsten Jahr 45 Jahre alt ist? Experte Jan Theiler erklärt:

Ein 45-Jähriger wird laut Jan Theiler, Niederlassungsleiter Vermögenszentrum Baden, mehr Mehrwertsteuer-Beiträge und höhere AHV-Beiträge zahlen müssen. In der Pensionskasse können sie zwischen 45 und 55 Jahren ein Prozent mehr ansparen.

Welche Leistungen sie im Alter erhalten, sei jedoch schwierig zu beziffern, da dies noch 20 Jahre in der Zukunft liege. «Für diese Generation wird es Übergangsbestimmungen geben. Im Moment ist jedoch nicht ganz klar, wie diese ausgestaltet sind.»

Was passiert mit Frau, die 59 Jahre alt ist, respektive Mann mit 60? Experte Michael Mathy erklärt:

Frauen und Männer dieser Generation sind unterschiedlich stark betroffen: Frauen merken die Erhöhung des Rentenalters unmittelbar, da dieses stufenweise von 64 auf 65 Jahre angehoben wird.

Solange Frauen und Männer noch erwerbstätig sind, werden auch ihnen zusätzliche Lohnprozente abgezogen. Zudem sind auch sie von der Mehrwertsteuer-Erhöhung betroffen.

Dafür profitieren beide Geschlechter vom AHV-Zustupf von je 70 Franken. Ein Ehepaar kann sogar bis zu 226 Franken mehr AHV erhalten.

Was bedeutet die Rentenreform für einen Mann, der bereits 70 Jahre alt ist? Experte Jan Theiler erklärt:

Die heutigen Rentner werden laut Theiler mehr Mehrwertsteuer-Beiträge zahlen müssen, um die AHV zu finanzieren. Was viele jedoch nicht wissen: Der Zustupf von 70 Franken pro Person betrifft nicht die bisherigen Rentner, sondern nur die neuen.

So wirkt sich die Reform konkret in Zahlen aus:

Wie sich die Rentenreform konkret auswirkt, erfahren Sie in der Bildstrecke.
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Mann (35): Folgen für die AHV Diese Generation wird die zweistufige Erhöhung der Mehrwertsteuer zu spüren bekommen. Kauft die Person jedes Jahr mehrwertsteuerpflichtige Waren für 30 000 Franken ein, bezahlt der 35-Jährige bis zu seiner Pensionierung 5100 Franken mehr Mehrwertsteuern als bei der aktuellen Situation. Gesamthaft werden durch Mehrwertsteuer-Erhöhung und höhere Lohnbeiträge zusätzlich 13 200 Franken der AHV zufliessen. Nach der Pensionierung sieht es so aus: Bis zum Alter von 84 Jahren – dem durchschnittlichen Lebensalter für Männer heute – würde der Mann in dieser Altersgruppe im Vergleich zur heutigen Regelung 15 960 Franken mehr Rente erhalten.
Folgen für die zweite Säule Diese Generation wird auch hier mehr einzahlen müssen. Bis zum Rentenalter 65 werden es bezogen auf einen Lohn von 100 000 Franken 30 900 Franken sein, die der einzelne (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge) mehr in der Pensionskasse anspart. Dieses Geld soll reichen, um die «Mehrausgaben» auszugleichen. Fazit: Weil der Umwandlungssatz wie vorgeschlagen sinkt, erhält der 35-jährige Mann – trotz zusätzlichen PK-Beiträgen von rund 15 000 Franken (und einem ebenso hohen Beitrag des Arbeitgebers) rund 43 900 Franken weniger Rente auf dem obligatorischen Teil ausbezahlt. Das sind rund 2300 Franken weniger Rente pro Jahr. Bei dieser Generation gibt es keine Ausgleichszahlungen.
Mann (45): Folgen für die AHV Im Vergleich zu heute bezahlt der Mann, der 2018 45 Jahre alt wird, bis zur Pensionierung 3330 Franken mehr an Mehrwertsteuer bei einem Warenkorb von 30 000 Franken. Auch hier wirkt sich die Erhöhung der AHV-Beiträge aus. Gesamthaft werden somit durch Mehrwertsteuer-Erhöhung und höhere Lohnbeiträge zusätzlich rund 8400 Franken der AHV zufliessen. Nach der Pensionierung sieht es so aus: Bis zum Alter von 84 Jahren würde auch der Mann in dieser Altersgruppe im Vergleich zur heutigen Regelung 15 960 Franken mehr Rente erhalten als mit der heutigen Regelung.
Folgen für die zweite Säule Die Altersgruppe, die im nächsten Jahr 45 Jahre alt sein wird, wird am längsten von den Ausgleichsmassnahmen profitieren. Geht man davon aus, dass das Rentenniveau erhalten bleibt, fallen dennoch Mehraufwendungen an. In der zweiten Säule führt die Reform dazu, dass der Mann mit 65 Jahren im obligatorischen Teil rund 19 500 Franken mehr angespart hat. Die Hälfte davon sind Arbeitnehmerbeiträge. Sprich – der 45-Jährige bezahlt knapp 10 000 Franken mehr ein zur Finanzierung der gleichen Rentenleistung. Fazit: Auch hier ist klar, dass die Erhöhung der AHV die Einbussen bei der zweiten Säule und den höheren Beiträgen für die AHV und Pensionskasse nicht wettmachen kann. Dies wird jedoch voraussichtlich vollständig ausgeglichen.
Paar (60/59): Folgen für die AHV Von der beschlossenen Erhöhung der Rente um 70 Franken profitieren vor allem die Männer. Bis zum Alter von 84 Jahren – dem durchschnittlichen Lebensalter für Männer mit Alter 60 – erhalten sie im Vergleich zu heute 15 960 Franken mehr AHV-Rente. Bei Frauen ist es umgekehrt. Nicht zuletzt, weil sie ein Jahr später in Rente gehen. Sie verlieren im Vergleich zu heute bis zum Alter von 87 Jahren – dem durchschnittlichen Lebensalter für Frauen – 9720 Franken. Sind die beiden ein Ehepaar: Hier gibt es Verbesserungen. Ist der Mann 2018 60 Jahre alt und die Frau 59 Jahre alt, werden sie bis zum 87. Lebensjahr der Frau zusammen 40 800 Franken mehr AHV-Rente erhalten als heute.
Folgen für die zweite Säule Die Altersgruppe, die im nächsten Jahr 45 Jahre alt sein wird, wird am längsten von den Ausgleichsmassnahmen profitieren. Geht man davon aus, dass das Rentenniveau erhalten bleibt, fallen dennoch Mehraufwendungen an. In der zweiten Säule führt die Reform dazu, dass der Mann mit 65 Jahren im obligatorischen Teil rund 19 500 Franken mehr angespart hat. Die Hälfte davon sind Arbeitnehmerbeiträge. Sprich – der 45-Jährige bezahlt knapp 10 000 Franken mehr ein zur Finanzierung der gleichen Rentenleistung. Fazit: Auch hier ist klar, dass die Erhöhung der AHV die Einbussen bei der zweiten Säule und den höheren Beiträgen für die AHV und Pensionskasse nicht wettmachen kann. Dies wird jedoch voraussichtlich vollständig ausgeglichen.
Frau (70): Folgen für die AHV Anders als vielfach angenommen, werden die heutigen Rentner nicht in Genuss der im Gesetz vorgeschlagenen AHV-Erhöhung von 70 Franken kommen. Das heisst nicht, dass sie von der Reform nicht betroffen wären. Laut den Berechnungen des VZ, die auf einem durchschnittlichen Kauf von Gütern von 30 000 Franken pro Jahr ausgehen, kostet die Reform die Rentnerin, die 2018 70 Jahre alt ist , bis im Alter von 88 Jahren 2700 Franken zusätzlich. «Auf der Verliererseite stehen bisherige Rentner, welche die berufliche Vorsorge aufgebaut haben, aber selber keine Chance mehr haben, ihre Pensionskassenrenten aufzubessern», kritisiert deshalb der Arbeitgeberverband die Reform.
Folgen für die zweite Säule Die Altersgruppe, die im nächsten Jahr 45 Jahre alt sein wird, wird am längsten von den Ausgleichsmassnahmen profitieren. Geht man davon aus, dass das Rentenniveau erhalten bleibt, fallen dennoch Mehraufwendungen an. In der zweiten Säule führt die Reform dazu, dass der Mann mit 65 Jahren im obligatorischen Teil rund 19 500 Franken mehr angespart hat. Die Hälfte davon sind Arbeitnehmerbeiträge. Sprich – der 45-Jährige bezahlt knapp 10 000 Franken mehr ein zur Finanzierung der gleichen Rentenleistung. Fazit: Auch hier ist klar, dass die Erhöhung der AHV die Einbussen bei der zweiten Säule und den höheren Beiträgen für die AHV und Pensionskasse nicht wettmachen kann. Dies wird jedoch voraussichtlich vollständig ausgeglichen.

Wie sich die Rentenreform konkret auswirkt, erfahren Sie in der Bildstrecke.

Keystone/GAETAN BALLY